Quellenzusammenhang:
Befehlbücher, anderswo auch Normalienbücher genannt, enthalten Verfügungen allgemeinen Inhalts, die von einer vorgesetzten Behörde erlassen worden sind. Häufig kursierten diese Verfügungen in Form von Zirkularschreiben, die dann in das Befehlbuch handschriftlich eingetragen wurden. Der vorliegende Eintrag ist dem Befehlbuch Weil der Stadt entnommen, er findet sich im gleichen Wortlaut in den Befehlbüchern von Merklingen, Münklingen und Hausen, die ebenfalls Empfänger der Erlasse des Oberamts Leonberg waren, dort zum Teil mit zusätzlichen Angaben über den Empfang und die Publikation des Schreibens.
Im vorliegenden Eintrag erhielt die Königliche Kreisregierung Württemberg ein Schreiben der Parallelbehörde aus Baden, das 1825 noch Ausland war, das sie an ihre an Baden angrenzenden untergeordneten Verwaltungsbehörden weiterleiten sollte. Das Königreich Württemberg war in 4 Kreise eingeteilt, vergleichbar den Regierungsbezirken heute. Dies waren der Neckarkreis, der Jagstkreis, der Donaukreis und der Schwarzwaldkreis. Den Kreisregierungen waren die verschiedenen Oberämter unterstellt. Weil der Stadt gehörte zum Oberamt Leonberg, das dem Neckarkreis zugeordnet war. Sitz der Regierung des Neckarkreises war Ludwigsburg, im dortigen Staatsarchiv befinden sich heute die archivierten Unterlagen dieser Behörde sowie die Archivalien des ehemaligen Oberamts Leonberg.
Transkription des Textes[1]:
„Der königliche Kreißregierung wurde von dem Grosherzoglich badischen Direktorium des Murg- und Pfinzkreißes eine Abschrift von der an die demselben untergeordneten Aemter erlassenen Verfügungen in Betreff des berüchtigten Räubers und Wilderers Rothenbühler mit dem Ersuchen mitgetheilt, eine gleiche Anordnung in den diseitigen Grenzoberämtern zu treffen. Dieselbe hat sich hierauf, da die bisherige vereinzelte Beyfahungsanstalten ohne Erfolg geblieben sind, veranlaßt gefunden, zu Beyfahung dieses Räubers folgendes zu verordnen.
1. Die Ortsvorsteher haben das Signalement des Rothenbühlers, welches sich in öffentlichen Blättern und nahmentlich im schwäbischen Merkur findet, nebst der auf seine Beyfahung gesezte Preiß-Bestimmung von 75 fl öffentlich bekant zu machen.
2. Es haben von dem Ort je nach der Oertlichkeit und da, wo dies möglich unter Zugebung oder wenigstens der Controle der in dem Bezirke stationierte Landjäger anzuordnende Patrouillen bey Tag und Nacht die Orte und die Umgebungen zu beobachten, besonders aber einzeln gelegene Häußer
[1] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantverdoppelungen ausgeschrieben.
und Höfe von Zeit zu Zeit zu durchsuchen.
3. Den Einwohnern ist bey nachdrücklicher, und je nach den Umständen strenger Straf einzuschärfen, dem Rothenbühler weder Herberge noch Nahrungsmittel zukommen zu lassen, vielmehr ist dem Ortsvorstand sogleich Anzeige zu machen, wenn Rothenbühler sollte erblikt werden.
4. Jeder Bürger hat die Obliegenheit bey Strafvermeidung dem Forstpersonal oder dem Landjäger und Polizey-Officianten, wenn die die Hülfe der Bürger zu Beyfahung des Rothenbühlers anrufen, solche unverzüglich und wo möglich bewaffnet zu leisten, auch wird man diejenigen, welche sich hierinn auszeichnen, zur besondern Belohnung hohen Orts empfehlen.
5. Sobald Rothenbühler sich auch einer Markung bliken läßt, hat der Ortsvorstand sogleich die Bürgerschaft so still als möglich aufbitten und zugleich die benachbarten Orte durch Reutende zu Hülfe aufrufen zu lassen auch das ihm vorgesezte Oberamt von dem Erscheinen des Rothenbühlers durch Reutende in Kentnuß zu sezen.
6. Die Ortsvorstände sind anzuweisen, sich selbst über den Aufenthalt dieses gefährlichen Menschen auf Kundschaft zu legen.
7. Da Rothenbühler schon mehrmals durch Verwundung derjenigen, welche ihn verhaften wollten, sich befreyt hat, so haben die ihn Aufsuchende oder Verfolgende sich so viel möglich mit Waffen zu versehen und bey dessen wirklicher Habhaftwerdung ihn sogleich des Gebrauchs seiner Hände durch Bande zu berauben. Endlich wird
8. bemerkt, daß gewöhnlich seine Weibsleute in der Gegend umherstreichen, wo sich Rothenbühler aufhält. Diese sind nämlich die alte Elisabeth Rösch, geboren zu Enzberg, die nach Bauschlott verwiesen worden, sodann deren erste Tochter Sophie Regina Rösch, die nach Ihringen gewiesen und Rothenbühlers Concubine ist; ferner deren 2te Tochter Susanna Rösch, welche nach Wöschbach verwiesen ist.
Indem nun die unterzeichnete Stelle den Schultheißenaemtern vorstehende Anordnungen der königlichen Nekarkreißregierung mitheilt, fordert sie dieselben auf, nicht nur solche genau zu befolgen, sondern auch die durch die örtliche Verhältnisse begünstigte Einleitungen von selbst zu treffen, welche eine besonnene und dem Zweck entsprechende Ausführung dieser Maaßregeln
zu sichern geeignet sey dürften, und dem Oberamt binnen 8 Tagen über das, was geschehen, und den Erfolg zu berichten.
Leonberg, d[en] 12t[en] May 1825
Königliches Oberamt
Act[uar] Schmied"