Am 9. Juni fand zusammen mit den Europa- und Kommunalwahlen ein Bürgerentscheid zum Thema Windenergieanlagen statt. Konkret ging es um die Frage, ob städtische Flächen in den Windvorranggebieten BB-02 und BB-27 für die Entwicklung von Windenergieanlagen zur Verfügung gestellt werden sollen.
Eine deutliche Mehrheit von 63,7 Prozent stimmte mit „Ja“. 36,3 Prozent lehnten die Entwicklung von Windenergieanlagen auf den städtischen Flächen ab. Das „Ja“-Votum wurde in allen 24 Wahlbezirken erreicht. Während in einigen Wahlbezirken die Mehrheit knapp über 50 Prozent lag, stimmten in anderen Wahlbezirken über 70 Prozent dafür. Abstimmungsergebnisse der einzelnen Wahlbezirke
Die Gemeindeordnung schreibt vor, dass ein Bürgerentscheid nur dann entschieden ist, wenn mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten die Frage – in diesem Fall mit „Ja“ -beantwortet haben. Damit soll sichergestellt werden, dass das Ergebnis von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen wird. Auch dieses so genannte Zustimmungsquorum wurde mit 40,3 Prozent deutlich erreicht.
Die Abstimmungsbeteiligung war mit 64 Prozent ähnlich hoch wie bei den anderen Wahlen am 9. Juni.
„Die deutliche Mehrheit hat sich unter einer guten Abstimmungsbeteiligung für lokale Windenergie entschieden. Das gibt der Energiewende und dem Klimaschutz vor Ort Rückenwind und ist ein klarer Auftrag für den Gemeinderat und die Stadtverwaltung, Windenergieanlagen bei uns zu entwickeln.
Es freut mich persönlich, dass sich eine große Mehrheit in einem fairen, transparenten und urdemokratischen Verfahren positiv positioniert hat. Das Ergebnis bringt nicht nur eine Mehrheit in der Gesamtstadt, sondern tatsächlich auch in jedem einzelnen Wahlbezirk. Ich bitte daher die Gegner und Kritiker, dieses demokratische Mehrheitsvotum uneingeschränkt zu akzeptieren“, ordnet Bürgermeister Christian Walter das Ergebnis ein.
Der neue Gemeinderat wird sich gleich nach der Sommerpause mit der Frage beschäftigen, wie das Verfahren zur Suche eines oder mehrerer Projektentwickler aussehen soll und welche politischen Prämissen hier gesetzt werden. Darauf folgt das Auswahlverfahren und sobald entschieden ist, an wen die Flächen zu welchen Bedingungen verpachtet werden, beginnt die eigentliche Entwicklung der Standorte – voraussichtlich zunächst mit den vorbereitenden Untersuchungen wie Windgutachten. Bis tatsächlich Anlagen stehen, werden also noch einige Jahre vergehen.
In öffentlicher Sitzung am 19. März 2024 hat der Gemeinderat über die gemeinsame Stellungnahme zum Bürgerentscheid beraten.
Sitzungsvorlage zur Vorgehensweise bei der Stellungnahme
Sitzungsvorlage zur Stellungnahme
Die Stellungnahme wurde bei 24 Ja-Stimmen, einer Nein-Stimme und einer Enthaltung beschlossen.
Ja-Stimmen | Nein-Stimmen | Enthaltungen | |
---|---|---|---|
Bürgermeister | 1 | - | - |
Bündnis 90/Die Grünen | 7 | - | - |
CDU | 6 | - | 1 |
Freie Wähler | 6 | - | - |
SPD | 3 | - | - |
FDP | 1 | - | - |
AfD | - | 1 | - |
Summe | 24 | 1 | 1 |
Der Gemeinderat und der Bürgermeister der Stadt Weil der Stadt sprechen sich für die Bereitstellung geeigneter kommunaler Flächen in den Windvorranggebiet BB-02 und BB-27 aus.
Durch die Entwicklung auf Flächen, die in städtischem Eigentum sind, wird sichergestellt, dass potentielle Einnahmen (wie u.a. die Pacht für die Flächen) dem städtischen Haushalt und somit der Allgemeinheit zu Gute kommen. Nach heutigem Kenntnisstand könnte der städtische Haushalt auf den Flächen BB-02 und BB-27 Einnahmen im niedrigen einstelligen Millionenbereich erzielen – pro Jahr.
Die Entwicklung von Windenergieanlagen wird grundsätzlich befürwortet, um die globalen, europäischen, deutschen, baden-württembergischen und lokalen Klimaschutzziele zu erreichen. Weil der Stadt könnte seinen derzeitigen, durch lokale Einspeisung ungedeckten Strombedarf rechnerisch mit circa vier bis fünf Windenergieanlagen selbst erzeugen. Aufgrund der Elektrifizierung (in Verkehr, Wärme etc.) wird der Stromverbrauch zukünftig steigen.
Auf eigenen Flächen kann die Stadt selbst bestimmen, wie viele Anlagen mit welchem Abstand zu den Siedlungen an welchen Standorten und mit welcher Bürgerbeteiligung gebaut werden. Es werden Betreiber ausgesucht, die verlässliche Partner sein werden. Damit können mögliche negative Effekte so gering wie möglich gehalten und Vorteile für die gesamte Stadt gewonnen werden.
Der Bürgerentscheid findet gezielt zum frühestmöglichen Zeitpunkt des Verfahrens statt. Dies bedeutet allerdings, dass noch keinerlei definitive Aussagen über Windhöffigkeit, exakte Anzahl und Standorte der Anlagen, Immissionsschutz, Artenschutz; aber auch Eigentum und Betrieb der Anlagen getroffen werden können. All dies kann erst – bei positivem Bürgerentscheid – im anschließend beginnenden Verfahren untersucht und seitens der Stadt entschieden werden. Im Bürgerentscheid geht es bewusst darum, gleich zu Beginn die Frage des „ob“ zu klären – aber noch nicht um die Fragen des „wie“.
Auf Grundlage des heutigen Kenntnisstands halten Gemeinderat und Bürgermeister die Entwicklung von maximal vier Windenergieanlagen im Windvorranggebiet BB-02 und maximal drei Windenergieanlagen im Windvorranggebiet BB-27 für eine realistische Zielgröße. Dabei sollen insbesondere Belange des Naturschutzes und des Forstes – gerade auch mit Blick auf den Merklinger Wald als Naherholungsgebiet – Beachtung finden. So sollen bevorzugt Flächen genutzt werden, die schon heute forstwirtschaftlich untergenutzt sind, etwa, weil sich großflächig absterbende Baumbestände auf ihnen befinden.
Die Stadt Weil der Stadt hat circa 1.200 Hektar forstwirtschaftliche Fläche in ihrem Eigentum. Wenn der Wald als Ganzes langfristig gerettet werden soll, ist der Umstieg auf Erneuerbare Energien unabdingbar. Die für den Betrieb einer Windenergieanlage benötigte Fläche von circa 0,5 Hektar (entspricht 0,04 % der gesamten Waldfläche) ist, verglichen mit der gesamten Waldfläche, sehr gering. Die im Forst für Windenergieanlagen entfallenden Flächen werden zudem im Verhältnis 1:1 aufgeforstet.
Es soll überprüft werden, inwiefern die Bürgerschaft unmittelbar an Eigentum und Betrieb der Anlagen beteiligt werden könnte. Auch für die städtische Tochtergesellschaft Energie Weil der Stadt GmbH & Co. KG wird eine Beteiligung überprüft, was der Allgemeinheit mittelbar zu Gute käme. Eine interkommunale Zusammenarbeit mit den Nachbarkommunen ist vorstellbar.
Die Grünen stehen geschlossen hinter der Entscheidung, auf kommunalen Flächen in Weil der Stadt Windkraftanlagen zu planen. Auf diese Weise behalten wir Weil der Städter die Initiative und können entscheiden, wie viele Windräder zu welchen Bedingungen geplant werden.
Die Windkraft ermöglicht den dringend notwendigen Ausbau erneuerbarer Energien auf kleinster Fläche mit größtem Energieertrag.
Gewerbesteuer und hohe Pachteinnahmen kommen 20 - 30 Jahre unmittelbar der Stadt zugute. Dies schafft dauerhaft Einnahmen, um z.B. die Infrastruktur der Kindergärten, Schulen und Feuerwehr zu verbessern und zu erhalten. Durch eine Beteiligung unserer Stadtwerke EnWdS wäre ein attraktiver Stromtarif für alle Bürger verhandelbar.
Wir befürworten die Bürgerbeteiligung am Bau und Ertrag der Windkraftanlagen, nicht die Gewinnmaximierung für auswärtige Investoren. Wir werden bei der Planung der Windkraftanlagen auf den Schutz von Mensch und Natur sowie auf Sicherheit und Effizienz achten.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird sich dafür einsetzen, dass Teile der Einnahmen wieder der Natur zurückgegeben werden. Daher befürworten wir zusätzlich zur Aufforstung die Ausweisung von Bannwald, um Flächen, die der Windkraft weichen müssen, mehr als auszugleichen. So lassen sich Klimaschutz, Artenschutz und Naturschutz umsetzen und wir können unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Welt erhalten.
Die CDU-Gemeinderatsfraktion spricht sich mehrheitlich für die Bereitstellung städtischer Flächen für die Entwicklung von Windenergieanlagen aus.
Die Energiegewinnung vor Ort ermöglicht bei der Anzahl der möglichen Anlagen die Deckung des zukünftigen städtischen Strombedarfs, was eine nachhaltige und zuverlässige lokale Versorgung gewährleistet.
Zudem fördert dies die stärkere Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, was sowohl aus Kostengründen wie auch aus Gründen der Klimaneutralität wichtig ist.
Es eröffnen sich Vorteile für den städtischen Haushalt durch Einnahmen wie Pacht oder Beteiligungen an den Anlagen. Zudem gewährt der Flächenbesitz der Stadt ein Mitspracherecht bei der Planung und dem Bau, sowie bei der Partnersuche für solche Projekte. Die Möglichkeit einer Beteiligung der Bürgerschaft an den Anlagen stärkt zudem die lokale Akzeptanz und Einbindung. Die interkommunale Zusammenarbeit eröffnet weitere Chancen für effektive Energiegewinnung.
Selbstverständlich werden dabei planerische, naturschutzrechtliche und umweltrechtliche Vorgaben streng beachtet, um negative Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren.
Die CDU-Fraktion betrachtet die Nutzung städtischer Flächen in Windkraftvorranggebieten als einen Schritt hin zu einer nachhaltigeren und zukunftsorientierten Energiepolitik, die sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile für die Stadt und ihre Bürger bringt.
Die Fraktion der Freien Wähler stimmt der Stellungnahme der Verwaltung und des Gemeinderats mehrheitlich zu.
Die Gründe für Windenergie sind zahlreich und vielfältig.
Der Klimawandel fordert eine Abkehr von der Nutzung fossiler Energieträger.
Der Rohstoff Wind ist heimisch und immer vorhanden. Er wird nicht importiert und ist im Vergleich zu fossilen Rohstoffen nicht begrenzt.
Im Gegensatz zu PV - Anlagen benötigen Windenergieanlagen weniger Fläche. Ebenso werden durch die Windenergie vor Ort keine Leitungstrassen durch das Bundesgebiet benötigt und nehmen somit weniger Fläche in Anspruch. Zudem werden bei der Energieproduktion keine Emissionen ausgestoßen.
Der Schritt in Richtung erneuerbare Energie, in diesem Fall die Windenergie, ist wichtig, um die Unabhängigkeit von Energieimporten aus anderen Ländern zu fördern und die Energieversorgung in unserem Land aufrecht zu erhalten.
Die aufgeführten, nicht vollständigen Argumente lassen uns zu dem Resultat kommen, dass Windenergie aus der heutigen Energieversorgung nicht mehr wegzudenken ist und der Bürgerentscheid von unserer Seite positiv bewertet wird.
Jetzt sind Sie als Bürgerinnen und Bürger der Stadt Weil der Stadt gefordert uns Ihre Entscheidung mitzuteilen.
Die SPD-Fraktion sagt JA:
Wir befürworten den Antrag der Stadtverwaltung, eigene Grundstücke in den Windvorranggebieten BB-02 und BB-27 für Windenergieanlagen zur Verfügung zu stellen.
Erneuerbare Energien sind für das künftige Funktionieren unserer Wirtschaft unabdingbar. Durch die Bereitstellung von städtischen Grundstücken ergeben sich viele Vorteile. So können erhebliche Mehreinnahmen für die Stadt generiert werden und wir können unserer Selbstverpflichtung an die Pariser Klimaziele gerecht werden.
Es wären auch Eingriffe in den Wald notwendig. Diese müssen sich aber in einem maßvollen Rahmen halten. Bereits mit wenigen Anlagen würden wir alle unsere Ziele erreichen und weit mehr Energie produzieren, als wir verbrauchen.
Auf eigenen Flächen kann die Stadt zudem erheblichen Einfluss auf künftige Investoren und mögliche Beteiligungsmodelle auch für Bürgerinnen und Bürger nehmen.
Für uns eine Win-Win-Situation!
Die FDP setzt sich mit Nachdruck für eine nachhaltigere Stadt ein. Dazu soll insbesondere der Ausbau von Photovoltaik auf städtischen Flächen und Gebäuden vorangetrieben werden. Auch die Installation von Windrädern kann hierzu einen Beitrag leisten.
Voraussetzung ist jedoch, dass keine Beeinträchtigung der Lebensqualität aller Einwohner der Stadt Weil der Stadt und der Teilorte, unter anderem durch Lärm sowie auch optisch, erfolgt und dass der Betrieb wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Mindestabstände zur nächsten Wohnbebauung müssen gewahrt bleiben. Es müssen entsprechende Betreiberkonzepte entwickelt werden, die dazu führen, dass die Bürger hiervon profitieren, sei es durch Beteiligung an dem Erlös der Anlagen und/oder durch Senkung von städtischen Gebühren. Die Stadtwerke müssen dabei eine aktive Rolle einnehmen.
Jährlich gehen immer mehr Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien (EE) ans Netz, was gleichzeitig die Kosten für die Netzstabilität und damit der Sicherstellung der Versorgungssicherheit in die Höhe treibt - in den letzten zehn Jahren haben sich diese auf mehr als 2,3 Mrd. € verzehnfacht. Diese werden auch künftig weiter steigen, da der Netzausbau um Jahre hinterher hängt und nach aktuellem Stand bis 2035 auch nicht aufzuholen ist. Üblicherweise macht man den zweiten Schritt (Bau von EE-Anlagen wie Windkraft) nicht vor dem ersten Schritt (Netzausbau) - und aus diesem Grund halte ich es derzeit für falsch, Flächen für Windenergieanlagen zur Verfügung zu stellen, die die Auswirkungen mangelnder Netzinfrastruktur verschärfen und jedem Einzelnen die Folgekosten dazu aufbürden würden.