Das Ruggericht hatte ursprünglich die Aufgabe, obrigkeitliche Verordnungen und örtliche Satzungen zu verkünden und zugleich „geringe Laster“ zu rügen, sodass ihm die Funktion eines Sittengerichts zukam. Unter Vorsitz des Vogts bildete das Ruggericht das weltliche Gegenstück zum religiösen Kirchenkonvent, um über die Einhaltung der Gesetze zu wachen. Im 19. Jahrhundert wurde die „persönliche Sittenrügung“ dann dem Kirchenkonvent, Gemeinderat oder Oberamtsgericht überlassen und dem Ruggericht kam nur noch die Funktion einer Gemeindevisitation durch das Oberamt zu.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein war es üblich, bei der Niederschrift von Protokollen nur die rechte Seite zu beschreiben. Auf der freigebliebenen linken Seite konnte dann der Betreff stehen oder Kommentare bzw. Beschlüsse, wie die Sache weiterbehandelt wurde.
Transkription des Textes[1]:
„Schafhausen, Hirsauer Oberamts
Actum den 1 ten May et seqq[2]. a[nno] 1791
In Gegenwartt des Herzoglichen Oberamts Hirschau, sodann des Schultheiß Stahlen und der hienach beygesezter Rugrichter
Zu Rugrichtern wurden per majora erwählt: Christian Götz, Alt Hanß Jerg Riehm, Michael Maier, Hanß Jerg Stahl, Michel Weiß.
Schultheiß wurde auf sein Bitten, weil er kräncklich seye, dem debattiren anzuwohnen, dißmal dispensiert[3].
Das Oberamtliche Vogt-Ruggericht wurde auf heute wider angestellt, zu disem Ende samtliche Bürgerschaft durch Läutung der Bürgerglocken auf das Rathaus convocirt und derselben zuvordrist dises Vorhaben angekündt. Hierauf wurden sämtliche zu denen Ruggerichten besonders extrahirte herzogliche Verordnungen, Geseze und Rescripte wie auch besonders
[1]Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben
[2] et sequentes = und folgende
[3] Von seiner Anwesenheitspflicht befreit
die Feuerordnung verlesen mit der gegebenen Erinnerung, wann einer oder der andere vorzubringen hätte, so darwider gehandelt worden wäre, es im Durchgang mit denjenigen Puncten ohnpassionirt vortragen solle, was er sonsten noch zum Besten der Herrschaft oder der Commun, auch seinem eigenen Interesse anzuzeigen habe.
Nach dieser beschehenen Publication ist die Bürgerschaft abgetretten und dann von Mann zu Mann widerm vor dem Oberamt und dem Actuario erschienen und ad protocollum gegeben worden, wie hienach das weitere ersichtlich ist.
[…]
5. Thomas Götz, alt 28, klagt 0
6. Michael Braitling, alt 33, waißt 0
7. Michel Götz, alt 69, bittet seinen Sohn zu ermahnen, er möchte ihn als einen alten unvermöglichen[1] Mann unterstützen.
Beschaid: Dem Christian Götz als Bruder des Michel Götzen wurde aufgegeben, sich dieser Klage halber anzunehmen und vor seinen Bruder die nöthige Vorkehr zu treffen
8. Jacob Buck, alt 58 0
9. Hanß Jerg Hofmeier, alt 30, waißt 0
10. Alt Michel Riem, alt 56, bringt an 0
11. Johannes Hohl, alt 26, klagt 0
[1] Ohne Vermögen
12. Jung Michel Riem, alt 33, waißt 0
13. Johann Götz, alt 36, klagt 0
14. Jacob Widmaier, alt 52, widerhohlt den wegen der Marckstein bey ferndigem Ruggericht sub Nr. 18 angegebenen Puncten, da indessen noch immer 5 x eingezogen werden.
Beschaid: Es bleibe bey dem ferndgegebenen ruggerichtlichen Spruch, daß die Communvorstehere desßwegen bey herzoglicher Landrecht-Deputation suppliciren sollen.
15. Philipp Hagenlocher, alt 40, waißt 0
16. Michel Vögele, alt 37, in seinen Äckern in Rosenäcker und im Reutlings Weeg befinden sich 3 zum Flecken gehörige wilde Obsbäum, welche ihm, wann solche eingesäet seyen, großen Schaden zufügen, weil kein Regen und Sonne durchdringen könne, bitte also um einige Äst hinweghauen zu lassen, damit er den Schaden nicht so viel habe.
Beschaid: Wann der Untergang[1] auf künftiges Frühjahr wider ins Felld gehen solle, er den nöthigen Augenschein einnehmen und zu Aushuzung (?) der eingeklagten Bäume das nöthige verfügen.
[1] Gemeint: gemeint ist der Markungsgrenzumgang mit den Amtspersonen, welche die Grenzsteine überprüfen
b) Da seines Schwagers Philipp Däublers Pfleeger[1] Joseph Ziegler, Adlerwirth, offenbar bey der Pflegschaft Betrug spiele, welches er dem herzoglichen Oberamt schon schriftlich angezaigt und specificirt habe, so bitte er, daß ein anderer Pfleeger an dessen statt gerichtlich constituirt werde.
Vögele hierüber constituirt und aufgefordert, seine Klage wider den Ziegler qua Pfleeger genauer anzugeben, indem er auch bey Oberamt nur generaliter sich beschwehrt habe, erklärte sich dahin, daß er die Rechnungen und Rapiate[2] einsehen müße, ehe er ad speciem gehen könne. Und da ihm ein Extractus der Pfleegsache von 1789/90, den er sich beym Probator Fromann besorgt und ehedem dem Oberamt übergeben hatte, retradirt[3] wurde, um seine Klage daraus sowie auch aus einem gleichfalls retradirten Aufsaz des Schneider Philipp Stahls zu formiren, so äußerte er sich weiter dahin, daß diese Documenta nicht hinlänglich seyen, dahero der
Beschaid gegeben wurde:
Da die Pflegrechnung abgehört seye und kein Betrug dabey vorgekommen, so wiße man ex officio nichts zu verfügen, Klägern bleibt aber unbenommen, in der Amtsschreiberey Hirsau die nöthige Extractus zu Formierung seiner Klage machen zu lassen.
c) Da ermelter Adlerwirth Ziegler gnädigste Herrschaft beym Zehenden auch schon wie seien Pfleegschaft betrogen habe, so könne man ihn ohnmöglich als Acciser[4] erkennen und die Wirthe sich von ihm abstechen[5] lassen, deßwegen er bitte, einen anderen Acciser zu erwählen.
quoad ad c)
Obgleich der Adlerwirth Ziegler wegen dem Auszehenden ehedem gestraft worden seye, so dürfe ihm doch niemand deßwegen Vorwürfe machen, indeme er nicht nur seine Strafe bezahlt habe sondern auch ein Mann seye, der hier in gutem Ansehen stehe, dahero ihn auch der Magistrat dem Oberamt zum Unterzoller in einem unteramtlichen schriftlichen Bericht empfohlen habe. Und weil verordnet seye, daß Zoller und Acciser womöglich vereinigt. So hätte das Ober- sowohl als das Ober-Accis-Amt ihn zum Unteracciser angenommen und beaydiget. Es werde dahero der Burgerschaft bekannt gemacht, daß derjenige nicht ohngestraft bleiben werde, der den guten Nahmen oftermelten Unter-Acciser Zieglers antasten oder gegen ihn als Unter-Acciser in vorkommenden Fällen nicht das nöthige beobachten wolle, wohin also in Sonderheit gerechnet werde, daß die Wirthe, so bey der Landschaft in keinem Accord mehr stehen, fürohin und auf bevorstehend Martini erstmals den Wein-Abstich von ihme Ziegler vornemmen lassen, den Accis an ihne bezahlen und die Wein-Urkund ihm jedesmals übergeben, auch der Bierwirth Vögele, so oft er Bier braue, dem Unteracciser bey jeglichem Sud die Anzaige machen solle.
17. Jacob Kienle, alt 45, waißt 0
[1] Ein Pfleger ist ein amtlich bestellter Vormund, der für eine nicht geschäftsfähige Person (Frauen, Minderjährige, Entmündigte) die finanziellen Geschäfte vornimmt. Darüber muss der Pfleger eine Jahresrechnung führen, die von der Gemeinde geprüft wird.
[2] Rechnungsbuch
[3] zurückgegeben
[4] Steuereinnehmer
[5] Abstich des Steuereinnehmers = Messung des verkauften Weins, um den Steuerbetrag ansetzen zu können
18.Jacob Deible, alt 63, klagt 0
19. Jacob Riem, alt 32, waißt 0
20. Johann Georg Single, alt 23, bringt an 0
21. Friedrich Riem, alt 32, klagt 0
22. Michel Sautter, alt 25, klagt 0
23. Hanß Jerg Hagenlocher, alt 48, bringt an 0
24. Gebhard Hiller, alt 42, waißt 0