Handwerksbuch der Rotgerber 1805
(StadtArch Weil der Stadt, Bände Weil der Stadt)
Die Bände- oder Buchüberlieferung in den Verwaltungsarchiven setzt Mitte des 14. Jahrhunderts ein. Voraussetzung dafür war, dass jetzt Papier als Beschreibstoff in zumindest größeren Mengen als zuvor zur Verfügung stand. Die ältesten Bände im Stadtarchiv sind das St. Peters Pfarrkirchen-Lagerbuch von 1533 und das ältere Spitallagerbuch von 1534.
Das im Juli vorzustellende „Handwerksbuch der Rotgerber“ gehört zu den Bänden und wurde im Jahre 1805 angelegt.
Das Handwerk der Gerber umfasste die mit der Lederherstellung beschäftigten Personen. Dabei wurden die Gerber seit ungefähr der frühen Neuzeit in drei Bereiche unterteilt. Dies waren die Rotgerber, die Weißgerber sowie die Sämischgerber. Diese Unterteilung spiegelt sich auch in der Organisation der jeweiligen Zünfte wieder.
Die Rotgerber stellten „schweres“, das heißt besonders dickes und strapazierfähiges Leder her, zum Beispiel für Schuhsohlen, Zaumzeug oder Sättel. Der Begriff der Rotgerber bezieht sich auf die rote Farbe des mit Lohe gegerbten Leders – bei der ebenfalls namensgebenden Lohe handelte es sich um den aus Eichenrinde hergestellten Gerbstoff. Dazu wurden die Eichen entrindet (schwäbisch: „gereppelt“), die Rinde wurde zerkleinert und fein gemahlen – die früher in Weil der Stadt am Sägeweg befindliche „Lohmühle“ kam so zu ihrem Namen. Bei den Rotgerbern wurden die rohen Häute zunächst gewaschen und gespült, dann wurden Fleisch- und Fettreste sowie die Haare entfernt – dies erfolgte mechanisch sowie in Gärbottichen. Anschließend erfolgte der eigentlich Gerbprozess (der mit drei Monaten bis drei Jahren lange dauerte) in den mit Lohe gefüllten Gruben. Zwischen allen Arbeitsschritten musste die Häute immer wieder gewaschen und gespült werden. Daher rührt auch der hohe Wasserbedarf der Gerber sowie die Lage ihrer Betriebe an Flüssen oder Bächen. Die damit verbundenen Abwässer stellten bereits in frühen Jahrhunderten eine nicht unerhebliche Verunreinigung von Fließgewässern dar, neben den geruchlichen Belästigungen führte dies zu Ansiedlung am Rand von Städten und Gemeinden.
Das hier vorliegende Handwerksbuch gibt Auskunft über die Rotgerber in Weil der Stadt für das 19. Jahrhundert. Es werden jedoch auch zahlreiche Informationen aus dem Zunftbuch des Jahres 1755, die in eben jenen Band vion 1805 übertragen wurden, mitgeliefert. So lassen sich Anzahl und Namen der Gerbermeister, die Zahl der Lehrjungen oder auch Versammlungsprotokolle entnehmen.
Allerlei weitere Interessante Information über die Gerberzunft. Besonders interessant sind lose in den Band eingelegte Blätter, die über den Brand der Weiler Lohmühle im Februar 1891 sowie deren geplanten Wiederaufbau berichten.
Aufgrund der aufwendigen Infrastruktur, die für das Rotgerben notwendig war galten die Rotgerber oft als wohlhabende und damit einflussreiche Handwerker.
So ist auch der im Zusammenhang mit den Skandalen um Stadtschreiber Franz von Brandt in Erscheinung getretene Rotgerber Thomas Wolf (vgl. dazu „Berichte und Mitteilungen des Heimatvereins Weil der Stadt, Ausgabe Nr. 55 – 2021: „Der Syndicus. Ein Schurkenstück in zwei Akten“) in vorliegendem Handwerksbuch der Rotgerber genannt.
Vorgestellt werden nun die Titelseite sowie der neue Pachtvertrag über die Lohmühle aus dem Jahr 1887.
TRANSSKRIPTION[2]
Hand Wercks Buch
des
Ehrbaren Handwercks der Rothgerber
in
Weil der Stadt
1805
Darin alles eingeschrieben wird. Nimlich Listen
oder Zahl der Meisterschaft. Handtwercks
oder Verhandlungen, EinKauffung der Meister.
Das ein und ausschreiben der Lehrjungen.
Wie auch aus dem alten HAndtwercksbuch und
Rechnungen vom Jahr 1755 angefangen heraus
gezogen und von beede Obermeister, im Jahr
1805 in dieses neue Buch übertragen und ein
geschrieben
Der Zeit
Obere Meister Herr Jacob Wolff
Jacob Anton Gall
Eingeschrieben und über Setz. Von
Jacob Anton Gall. Der maliger Rechnungs
Führer
Verhandelt den 27. Januar 1887
Nachdem unser seitheriger Lohmüller A. KIienzle von
Simmozheim wegen Kränklichkeit den Dienst nicht mehr
versehen konnte, so wurde das von ihm angebrachte & zu
unserem betriebe nothwendige erste Vorgelege mit
3 Riemenscheiben samt Hauptrinnen, TSaubkasten,
die zum Gang führende Treppe nebst allen sonst von ihm
vorgenommenen verbesserungen um den Preis von
M 120 einhundertzwanzig Mark von ihm
gekauft, welcher Betrag zur Abrechnung an …]
Lohmühlenpacht ausgeglichen werden sollte.
Sodann wurde Wilhelm Linkenheil von Simmozheim
als Lohmüller aufgenommen, der von unserm
seitherigen Lohmüller A. Kienzle v. Simmozheim
das von ihm auf unserm Grund & Eigenthum
erbaute Schmiedegebäude samt sämtlichen Maschinen
etc. nebst darin der Lohmühle sich befindenden 2ten
& 3ten Vorgelegen käuflich erworben hat.
Abgeschlossen wurde folgender
Pachtvertrag
Die Lohmühlenteilhaber verpachten die Lohmühle
unter folgenden Bedingungen an Wilh. Linkenheil
von Simmozheim
1.) die Lohmühle wird auf 3 Jahre verpachtet & zwra
vom 27. Januar 1887 bis 27. Januar 1890 & beträgt das
Pachtgeld monatlich M 12 zwölf Mark, welche jeden
Monat voraus zu bezahlen sind, sollte am 8. eines jeden
Monats obige Summe nicht bezahlt sein, so wird der Pacht
für gekündigt angesehen & muß der Pächter auch an
genanntem Tage abziehen & sein Schmiedegebäude,
falls er es an seinen Nachfolger nicht veräußern
kann, abbrechen & entnehmen
2.) Bei dem Pacht sind die Wohnung, Bühnenplatz ob der
Wohnung, Stallung, Garten & Reibereieinrichtung
inbegriffen, dagegen verzichtet der Pächter auf die Wieder-
Herstellung & auf den Betrieb des untern Wasserrads.
3.) der Pächter hat jedem Theilhaber auf Verlangen die
Rinde innerhalb 3 Tagen zu lief gemahlen zu liefern
4.) Für den Ztr. Loh hat der Pächter 9 […] zu erheben &
zwar von dem betreffenden Eigenthümer des Lohs,
es muß vom Lohmüller jeder Sack gründlich gewogen
ja sogar auf Verlangen dem betreff. Eigenthümer
vorgewogen werden.
5.) das Loh muß schön gemahlen sein & als normal
dient das Loh von der Lohmühle in Calw
6.) In der Lohmühle muß die größte Ordnung herrschen,
damit kein Theilhaber an seinem Eigenthum geschädigt
wird & hat jeder Theilhaber das Recht, sämtliche Gelasse
der Lohmühle zu betreten.
7.) Veränderungen in der Lohmühle überhaupt des
der Genossenschaft gehörenden Eigenthums können
ohne Genehmigung der Theilhaber nicht vorgenommen
werden; werden aber solche genehmigt, so darf der
Pächter der Genossenschaft nichts dafür in Anrechnung
bringen; der Pächter hat auch bei allenfallsigem
Ruhen des Wasserwerks oder bei geringer Wasser-
kraft keinen Anspruch auf Entschädigung; auch
darf die Lohmühle auf Verlangen der Theilhaber in
keiner Weise eine Störung leiden & muß in diesem
Falle eher das Reiben oder die Kraftübertragung auf
die Transmission in der Schmiedewerkstätte unterbleiben.
8.) Sämtliche Reparaturen sind vom Pächter, dagegen
größere, so zu sagen vollständige Herstellungen
am eigentlichen Lohmühlenwerk von der Genossen-
schaft zu bestreiten.
9.) Bei dem Abzug des Pächters hat derselbe sein beim
Abruch & Entfernen seines Schmiedegebäudes Grund & Boden
überhaupt Alles in denselben Zustand wiedre herzu-
stellen, wie es vor dem Aufbau des Gebäudes gewesen
ist, also auch den vorher bestandenen Graswuchs
auf dem ganzen Platze des von Kienzle erbauten
Gebäudes samt Umgebung & des zu denselben
führenden Weges herzustellen.
10.) die Besorgung der Bäume ist Sache der genossenschaft,
der Pächter hat dagegen auch keinen Anspruch
auf Baumholz.
11.) das Holz zu Kammer & Schaufelstiel etc. hat der Pächter
selbst anzuschaffen
12.) dem Pächter wie der Genossenschaft ist monatlich
Aufkündigung freigestellt; von der Genossenschaft
hat er solches nicht zu erwarten, wenn er seinen Verpflichtungen nachkommt.
13.) Sollte durch die Feuerwerkseinrichtung mehr
Brandschadenssteuer bezahlt werden müssen,
so ist der Mehrbetrag durch den Pächter zu bezahlen.
14.) Ein Afterpacht ist nicht gestattet.
15.) Für allenfallsig restierendes Pachtgeld, sowie für
Beschädigung des ganzen Werks ebenso der ihm ver-
pachteten Gelasse haftet der Pächter außer der Stellung
eines zahlungsfähigen Bürgen & Selbstzählers noch
mit dem ihm gehörenden Gebäude & der darin
befindlichen Einrichtung, Werkzeug, Maschinen,
Transmissionen etc.
Vorstehenden Vertrag anerkennen & beurkunden
Weil der Stadt 27. Januar 1887
der Pächter die Verpächter & Lohmühleteilhaber
W Linkenheil Dagobert Wolf
[…] Wolf
[…] Siegle
V. Hohenstein
[1] Im Internet: http://www.weil-der-stadt.de/de/Keplerstadt/Stadtarchiv/Archivale-des-Monats
[2] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben.