Quellenzusammenhang
Die ins Stadtarchiv übernommenen schriftlichen Unterlagen der Verwaltung werden für die Aufbewahrung zunächst aufgrund der jahrhundertealten Selbstständigkeit nach den heutigen Teilorten unterscheiden. Sodann erfolgt eine Einteilung nach ihrer äußeren Form und ihrem Entstehungszusammenhang (bzw. nach ihrer Ämterherkunft) in die Hauptbereiche Urkunden, Bände, Rechnungen und Akten.
Nachdem im vergangenen Dezember mit der Eingemeindung nach Merklingen das Ende der kommunalen Hausener Eigenverantwortung dargestellt wurde soll nun aus dem (bis 1971 eigenständigen) Archivbestand der über Jahrhunderte selbstständigen Gemeinde Hausen an der Würm ein Archival aus dem Bereich der „Bände“ vorgestellt werden. Dabei handelt es sich um den ersten Band des „Zehntablösungsbuches“.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren die Bauern Württembergs durch das aus dem Mittelalter kommende Feudalsystem unfrei in vielerlei Hinsicht. Neben der Leibeigenschaft war die Grundherrschaft eines der Elemente der damaligen Agrarverfassung. Der Zehnt war dabei Bestandteil dieser überkommenen Agrarverfassung und bezeichnete die an den Grund gebundene Abgabe (den zehnten Teil) in Form von Naturalien die der Bewirtschafter (der Bauer) an den Eigentümer (den Grundherrn) zu leisten hatte. Dabei wurde in verschiedene Zehntarten unterschieden, so gab es den Großzehnt für die „klassische“ Feldfrucht, das Getreide, und den kleinen Zehnt für Gemüse und Früchte der Gärten. Mancherorts gab es auch den Heuzehnt sowie den Weinzehnt, weiterhin wurde zwischen „Altzehnt“ und „Novalzehnt“ unterschieden, auch der so genannte „Blutzehnt“ auf tierische Produkte taucht bisweilen auf.
Nachdem in Baden die Leibeigenschaft bereits Ende des 18. Jahrhunderts (1783) abgeschafft wurde, bestand der Zehnt dort bis 1820 weiter. In Württemberg hingegen wurden die oftmals als „Bauernbefreiung“ bezeichneten Reformen durch das Zweite Organisationsedikt König Wilhelms I. vom November 1817 eingeleitet. Der Reformprozess zog sich jedoch durch den erwartbaren Widerstand der Grundherren über mehrere Jahrzehnte hin und wurde letztlich erst durch die Revolutionsbewegung des Jahres 1848 und den daraus resultierenden Gesetzen vom 14. April 1848 sowie vom 17. Juni 1849 abgeschlossen.
Das in diesem Monat vorgestellte Zehntablösungsbuch der Gemeinde Hausen an der Würm entstammt dem Jahr 1854 (also fünf Jahre nach Erlass der entsprechenden Gesetze) und regelt den Prozess der Zehntablösung verbindlich für alle zur Markung gehörenden Grundstücke bzw. Parzellen.
Das im Folioformat gehaltene umfangreiche Buch (der Buchrücken ist 40 cm hoch, der erste Band umfasst knapp 800 Seiten) trägt außen den Titel „Hausen Oberamt Leonberg. Repartition[1] der Zehntablösungsrenten. I. Band.“, auf dem Titelblatt im Inneren ist „Zehntablösungsbuch“ angegeben.
Der sehr gut erhaltene Band steht für eine der grundlegendsten Reformen des 19. Jahrhunderts, die in der heutigen Weiler Teilgemeinde Hausen das Leben der einfachen Landbevölkerung entschieden veränderte.
Weitere Bestände zur Zehntablösung sind ein Namensregister sowie Zehntablösungsrechnungen der Jahre 1847 bis 1852.
Im Folgenden ist das von „Actuar[2]“ Hermann in Weil der Stadt (damals noch als „Weil die Stadt“ bezeichnet) abgefasste Vorwort transkribiert.
Transkription[3]:
Vermerke
Auf Grund des Gesezes vom 17. Juni 1849 ist der Zehnte
auf der ganzen Markung Hausen, sowohl gegen den Staat,
als auch gegen die Mesmerei hier abgelöst worden und
es bedrägt nach den hierüber abgeschlossenen und genehm=
igten, in der Gemeinderegistratur aufbewahrten Verträgen
die Jahresrente
a) gegen den Staat, zahlbar in 23jähriger Tilgungszeit,
anfangend mit dem 1. Januar 1852 und endigend
mit dem 1. Januar 1874 - 726 f 43 xr
b) gegen die Mesmerei hier,
zahlbar in 23jähriger Tilgungszeit,
anfangend mit dem 1. Januar 1854
und endigend mit 1. Januar 1876 21 f 39 xr
----------------------
748 f 22 xr
Vermöge oberamtlich genehmigter Beschlüsse der Gemeinde=
Collegien act. 6. Mai und 8. September 1854 sollen
diese Jahresrenten zusammen, einschließlich der jähr-
lichen Verwaltungskosten und zwar
für das Einzugsregister 1 fl
Belohnung des Cassiers 18 fl
Rechnungsstell 3 fl 30xr
dem [Aufwärter?] 2 fl
samt Reservefond 8 fl 32 f 30 xr
---------------------------
zusammen 780 fl 32 xr
auf jede einzelne vormals zehntpflichtige Güterparzelle
der Art umgelegt werden, daß die Zehntpflichtigen
Wiesen mit einem Heuzehent0Surrogatgeld von
8xr pro Morgen – früher […] – ohne Rücksicht
auf die Ertragshäufigkeit, sowie die […] pflichtigen
Grundstücke mit ihrer seitherigen Geldabgabe
zuerst berechnet werden, mit diesem ihrem Betreff
ohne Mitleidenschaften den Verwaltungskosten zur
Tilgung der Jahresrente beitragen und da nach Abzug
des Heuzehntsurrogatgeldes und der CAnongelder
verbleibende Ueberrest der Jahresschuldigkeit samt
den jährlichen Verwaltungskosten auf die Zehentbare
Ackerfläche nach den bestehenden 5 Classen, wofür folgende
[…]Ansäze nach dem Maasstab der seitherigen
Beitragspflichtigkeit gestellt worden sind ausgetheilt
wird
Der Catasteransaz des Morgen Ackers beträgt in
I Classe 19 fl 12 xr seitherige Beitragsschuldigkeit 6 soi
II. Classe 16 fl 5 Soi
III. Classe 12 fl 48 xr 4 Soi
IV. Classe 9 fl 3 xr 3 Soi
V. Classe 6 fl 24 x 2 Soi
Die Catasteransäze der nach Hausen zehentenden
Güter auf Merklinger Markung sind wie bisher
in der 4 ten Classe belassen worden.
Nach der dem II. Band angehängten summarischen Berechnung
über gegenwärtige Unteraustheilung der jährlichen
Zehnt=Ablösungsschuldigkeiten, in welcher die Behandlungsweise
des ganzen Geschäfts näher angegeben und zugleich die
[…] über letzteres hergestellt ist wurde angelegt
a) auf die zehentpflichtigen Wiesen, bei neuem Meßgehalt
von 121 3/8 18,5 Ruthen
[…] 16 fl 30 ½ xr
b) auf die canonpflichtigen Güter
ein Maß 8 fl 55 xr
c) auf den Acker bei neuem Cataster
Ansaz von 7,720 […] 755 f 26 ½ xr
zusammen 780 f 52 xr
[…]
Die Resolvirungen zur Austheilung der Classen Ansäze
für die Aeker auf deren Meßgehalt, sowie zur Umlage
der Zehntablösungschuldigkeiten sind zum Zwecke
der Bequemlichkeit bei künftigem Gebrauch dem […]
xx angefügt.
Zur Vermeidung von Durchstreichen und Änderungen
in Folge künftiger Besizstandsveränderungen und um den
hiedurch entstehenden alsbaldigen […] des
Geschäfts zu begegnen sind die Seiten, sowie die
ganze Jahresschuldigkeit bei jedem einzelnen Pflichtigen
nicht zusammengerechnet worden, sondern wird
diesfalls auf die nach Seiten gefertigte summarische
Berechnung hingewiesen.
Da nach den oben erwähnten Ablösungsverträgen die
Jahresrenten gegen die Mesmerei hier mit a 21 f 34 xr
2 Jahre länger als die gegen den Staat dauern und erst
mit dem 1. Januar 1876 endigen während gegenwärtige
Austheilung nur bis zum 1. Januar 1874, dem Schlusse
der Zehntablösung gegen den Staat berechnet ist, so
sind die 2 Jahresrenten gegen die Mesmerei hier
seit 1. Januar 1875 1876 mit je 21 fl 39 xr auf
die zur Mesmerei vormals zehentpflichtige Grundstücke
seiner Zeit nach besodners auszutheilen.
Die Publikationsurkunde, welche zugleich das
Anerkenntnis gegnwärthigen Geschäfts enthält ist
hienach dem 2ten Bande angeheftet
Beurkundet
Weil die Stadt im Auguts/Oktober 1854
Verw.Aktuar
Hermann
[1] Def. Repartition: Verteilung im Verhältnis der Beteiligten
[2] Def. Aktuar: Die Verwaltungsaktuare waren ausgebildete Verwaltungsfachleute, die kleinere Kommunen in Verwaltungsfragen berieten und betreuten.
[3] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben.