"Strafe der Dirnin Anna Maria Grustin..... " - Ratsprotokoll aus dem Jahr 1755

Archival des Monats

Nachdem im Vormonat das Skortationsprotokoll über das Verhör der unehelichen Schwangerschaft der Anna Maria Grustin vorgestellt wurde soll nun die Verhandlung des Falles bzw. die Verhängung der Strafe durch den Rat der Stadt Weil der Stadt vorgestellt werden.

Ratsprotokoll aus dem Jahr 1755

(Bestand WB - Bände Weil der Stadt)

 

Nachdem im Vormonat das Skortationsprotokoll über das Verhör der unehelichen Schwangerschaft der Anna Maria Grustin vorgestellt wurde soll nun die Verhandlung des Falles bzw. die Verhängung der Strafe durch den Rat der Stadt Weil der Stadt vorgestellt werden. Diese Informationen finden sich im Ratsprotokoll[1] der Stadt Weil der Stadt aus dem Jahre 1755.

Der Fall der unehelichen Schwangerschaft wurde dem Rat der Stadt Weil in der Sitzung vom 06. Juni 1755 vorgestellt, der Rat verwies auf weitere Ermittlungen, die notwendig seien.

Diese wurden dann durch den Stadtschultheiß sowie den Syndicus durchgeführt - deren Untersuchungen und Befragungen sind im „Skortationsprotokoll“ vom 10. Juni 1755 beschrieben. Dieses Protokoll wurde in der Archivalie des Monats August 2021 vorgestellt.

Anschließend wurde der Fall nach erfolgreicher Ermittlung wieder dem Rat vorgetragen, und zwar ebenfalls am 10. Juni 1755. Folglich wurde also die Anna Maria Grust nebst den weiteren Zeugen zunächst von Stadtschultheiß und Syndicus verhört, ehe sie vor die – vermutlich zeitlich versetzt stattfindende – Ratsversammlung gebracht und dort wiederum befragt wurde.

Am 14. Juni schließlich wurde – nachdem sie ebenfalls am 14. Juni nochmal eingehend befragt und nun wohl endgültig den Joseph Kohlhafer als Vater angegeben hatte - der Fall nochmals in der Ratssitzung ausgebreitet sowie die Strafe verhängt: Anna Maria Grust musste sich vor dem sonntäglichen Gottesdienst mit einem Strohkranz sowie einer Tafel mit der Aufschrift „Strafe der Dirnin Anna Maria Grustin, die sich in Unzucht mit einem Ehemann vergangen“ neben dem Eingang zur Kirche aufstellen. Anschließend wurde sie auf zehn Jahre aus der Stadt verwiesen.

Wie bereits in der Archivalie des August geschrieben ist die große Bedeutung und der immense Aufwand zur Ermittlung des Ehebruchs aus heutiger Sicht nur schwer verständlich bzw. nicht nachvollziehbar. In der damaligen zeit jedoch hingen der Institution der Ehe auch handfeste wirtschaftliche und gesellschaftliche Gründe wie das Bürgerrecht oder auch die Armenfürsorge durch öffentliche oder kirchliche Einrichtungen. In der streng gegliederten hierarchischen Gesellschaft früherer Jahrhunderte kam der Ehe, dem Ehebruch und den unehelichen Schwangerschaften daher eine große Bedeutung zu, jedoch mit zu Teil fatalen Folgen für die betroffenen Frauen.

Über den anscheinend verheirateten und nun in den Augen des Rats als Kindsvater feststehenden Joseph Kohlhafer wird nichts weiter berichtet.

 

TRANSKRIPTION[2]

Ratsprotokoll Weil der Stadt 1755

S. 268 bis 270

Das Verhör der Anna

Maria Grustin sito

impraegnationes

§ 2

Wurde die Anna Maria

Grustin ledig e custodia

vorgefordert, und weilen

diese nunmehro in separato

protocollo die Schwängerung

die ihro von des Ludwig

Zieglers Tochtermann,

nahmens Joseph Kohlhafer (?)

widerpharen (?), frey einge-

standen hat, so wurde der

Amtspfleger Elias Tappler

vorgefordert, und befragt

worinnen dieser Fornicatin

ihr Vermögenstands, der dann

ausgesagt, daß solches in

Activia, und in Capitalien

ohngefehrlich in 100f und

etlichen  Gulden bestünde.

Auf dieses wurde in die Umb-

frag gestellet, ob dieser

Impraegnantin eine Leib-

od Geldstrafe anzudictiren

seye?

Resolutum

wäre dieser ein Leibstrafe

anzudictiren, und zwar

dergestalten, daß diese

mit einem hierzu bestellenden

Mann auf den Sonntag

vor der Predig vor die

Kirchthür mit einem Stroh

Crantz, und einer in der

Hand haltenden schwartzen Kertzen

und unthen bis nach dem Gottes

Dienst gestellet, und, und

hernacher zur Statt hienaus

geführet werden solle.

Der Pfleger und die Dirnin

bitten inständigst umb Mil-

derung der Strafe, derge-

stalten daß diese nicht vor

der Predig vorgestellet

werden mochte.

Es wurde aber bey obiger Strafe gelassen, die Statt-

aber nur auf 10 Jahre

lang verwiesen, umb so

mehr, weilen diese vormahls

sich in Unzucht vergangen

und mit der  […] aus-

geführt werde.

Auf die

Tafel seye zu schreiben

Strafe

der Dirnin Anna Maria

Grustin, die sich in Un-

zucht mit einem Ehemann

vergangen

1755.

 

[1] Die Stadtratsprotokolle vor dem Jahr 1648 sind durch den großen Stadtbrand vollständig vernichtet worden, seit dem Jahr 1649/1650 sind diese aber lückenlos überliefert. Diese Protokolle sind für die Geschichte Weil der Stadts eine der wichtigsten Quellen und werden daher auch „Rückgratakten“ eines Kommunalarchivs genannt. In den Ratsprotokollen sind alle wesentlichen Vorgänge der zurückliegenden Jahrhunderte, die Weil der Stadt betreffen, dokumentiert. Von besonderem Wert bezüglich ihrer Auswertung ist das jedem Band beigefügte Register. Wegen ihrer herausragenden Bedeutung hat die Stadt in einem aufwendigen Verfahren Einbände und Papier der Stadtratsprotokolle restaurieren lassen. Seit 1985 wurden so die Bände der Jahrgänge 1649/50 bis 1823 komplett restauriert. Im Stadtarchiv Weil der Stadt befinden sich die Ratsprotokolle Weil der Stadts und aller Teilorte bis einschließlich 1974, dem Abschlussjahr der Gemeindereform in Baden-Württemberg. Außerdem werden im Bestand des Stadtarchivs die neueren Gemeinderatsprotokolle von 1975 bis einschließlich 1999 verwahrt.

[2] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung  sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben. Nicht zu entziffernde Wörter oder Auslassungen in eckige Klammern gesetzt.