Historische Adressbücher im Stadtarchiv Weil der Stadt

Archival des Monats

Im Bestand der Archivbibliothek befinden sich verschiedene Adressbücher des 20. Jahrhunderts, die wertvolle und interessante Informationen über Einwohner und Gewerbetreibende Weils liefern.

Quellenzusammenhang

Das Stadtarchiv Weil der Stadt verfügt über eine umfangreiche Archivbibliothek, die in eine Neuere und eine ältere Abteilung aufgeteilt ist. Die „neuere Abteilung" der Dienstbibliothek wurde ab dem Jahr 2001 aufgebaut. Sie umfasst mittlerweile an die 2400 Bücher und enthält neben ortgeschichtlicher Literatur zu Weil der Stadt sowie den vier Ortsteilen weitere Literatur zur regionale Heimat- und Landeskunde. Weiterhin ist ausgewählte Literatur zu Geschichtswissenschaften und historischen Hilfswissenschaften (Archivkunde, Pälaographie) ebenso vorhanden wie "Kepleriana", d.h. Werke von und über Johannes Kepler.

Ein für die Ortsgeschichte interessanter Bestand liegt in den Adress- oder Einwohnerbüchern für das Oberamt Leonberg. Nachdem Weil der Stadt seit Anfang des 19. Jahrhunderts zum Leonberger Oberamt gehörte ist die Reichsstadt auch in diesen Adressbüchern enthalten. Die älteste im Stadtarchiv vorhandene Ausgabe stammt aus dem Jahr 1920, der vollständige Titel lautet „Adressbuch für den Württembergischen Oberamtsbezirk Leonberg 1920“ Signatur D01 1920, erschienen im Verlag Wilhelm Stamminger in Stuttgart. Ab Seite 135 beginnt der Abschnitt zu Weil der Stadt. Zu Beginn sind Behördeninformationen aufgeführt. So gibt uns das Adressbuch Auskunft über die städtischen Ämter wie das Stadtschultheißenamt (Stadtschultheiß SCHÜTZ), die Stadtpflege (heutige Kämmerei, 1920 war der Stadtpfleger Franz HOLZHERR, wohnhaft in der Stuttgarter Straße) oder auch Stadtbaumamt und Hospitalverwaltung, die Schulen und die Kirchen sind genannt. Zunächst sind die mit Stichtag zum 08. Oktober 1919 insgesamt 1907 Einwohner alphabetisch aufgeführt. Dabei wurde in der Regel nur der Hausvorstand genannt, also der Mann. Ab Seite 145 des Adressbuches gibt es einen Nachtrag, in dem in zwei Abschnitten nochmalig detailliert Behörden, Kirchen, Schulen und Vereine sowie Industrie, Handel und Gewerbe aufgeführt sind. Das Adressbuch ist somit eine wichtige und leicht nutzbare Quelle für einwohnerbezogene Informationen. Auch ist ein Einblick in die Struktur von Gewerbe und Handel möglich: von „A“ wie Ärzte (Dr. Ulrich MÜNZENMAIER) und Apotheken (Karl MEHLTRETTER) über „G“ wie Glaser (Friedrich NESTLER und Karl GANN) bis hin zu „Z“ wie Zigarrenfabrikation (Georg LENZ und Adolf MÜLLER) sind zahlreiche Informationen enthalten. Interessant ist dabei auch der Abschnitt „Wirtschaften“: immerhin 20 Wirtschaften werden aufgeführt!

Auch können Personen des öffentlichen Lebens leicht identifiziert und zugeordnet werden, weiterführende Recherchen zu diesen Namen wären über die Personenstandsunteralgen im Stadtarchiv ebenfalls denkbar. Die Besetzung der städtischen Ämter, die Kirchen oder auch Feuerwehr und Schullehrer sind allesamt namentlich genannt. Die vorhandenen Telefonanschlüsse sind mit einem Symbol und der jeweiligen zweistelligen (!) Nummer im Adressbuch genannt, dabei ist die Zahl der Anschlüsse noch eher überschaubar – für 1920 sind bei den Einwohner 37 Anschlüsse aufgeführt. Die Hausnummern gehen 1920 noch im Uhrzeigersinn einmal in der Stadt herum, d.h. diese sind noch nicht nach Straßennamen eingeteilt.

Die 17 Jahre später erschienenen Ausgabe, das Adressbuch von 1937, liegt ebenfalls im Stadtarchiv vor und wurde unter dem Titel „Einwohnerbuch des Kreises Leonberg“ von der „NS-Presse“ Signatur D01 1937 sowie des „Reichsverbands des Adress- und Anzeigenbuchverlagsgewerbes“ herausgegeben. Neben den Informationen zu den Einwohnern der Kommunen des Oberamts sind auch interessante Informationen zu den Funktionären der verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen zu finden. Im Adressbuch 1937 wird die Einwohnerzahl mit 2150 angegeben, gegenüber 1920 also ein Plus von knapp 250 Einwohnern.

Für das Jahr 1950 liegt das nächste Einwohnerbuch des Kreises Leonberg in der Archivbibliothek vor, nunmehr von der Buchdruckerei Willy REICHERT in Leonberg herausgegeben. Zwischenzeitlich ist Weil der Stadt bei 3420 Einwohner anbelangt, dieser deutliche Zuwachs ist den nach Ende des Zweiten Weltkriegs zugezogenen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen geschuldet. Auch hier ist ein Absatz mit Informationen zu Behörden usw. eingeführt, daraus lassen sich auch interessante Detailinformationen entnehmen: so ist für die Oberschule Frau Getrud MANNSPERGER mit der Leitung beauftragt – dies war dem Kriegsdienst mit nachfolgender Gefangenschaft und Entnazifizierung des eigentlichen Schulleiters Eugen MANNSPERGER geschuldet. Zum Zeitpunkt 1950 hatte MANNSPERGER aber die Schulleitung bereits wieder übernommen.

Für das Jahr 1970 liegt das „Adressbuch für Stadt und Kreis Leonberg“ vor ehe ab 1976 das „Stadtadressbuch Weil der Stadt“ bis in die Gegenwart (Ausgabe 10, 2012 ist noch vorhanden) Informationen sowohl über die Einwohner der „Kernstadt“ als auch der neu hinzugekommenen Ortsteile liefert.

Die Adress- und Einwohnerbücher sind ein unscheinbarer aber für heimatkundliche und genealogische Recherchen wichtiger und nicht zu unterschätzender Bestand des Stadtarchivs. Informationen über Behörden und Ämter, die Kirchen, Schulen und weitere öffentliche Einrichtungen können für die jeweilige Zeit ebenso ermittelt werden wie die Gewerbe- und Handeltreibenden. Dabei sind auch die in den Büchern geschalteten Werbeanzeigen nicht uninteressant.

Die Adressbücher liegen nicht digital vor und können nach Terminvereinbarung im Stadtarchiv Weil der Stadt vor Ort eingesehen und genutzt werden.