Amtliches Bericht-Concept-Buch Weil der Stadt Oktober 1805 – August 1806

Archival des Monats

Seit 1802/03 war Weil der Stadt keine Reichsstadt mehr, die unmittelbar dem Kaiser unterstellt war. Vielmehr war sie jetzt unter württembergischer Verwaltung, eine kleine württembergische Amtsstadt, die bis 1808 Sitz eines Oberamtes war. Dies war nicht unbedingt ein Vorteil für die Stadt, denn der von Württemberg eingesetzte Oberamtmann hatte zugleich den Vorsitz für den Stadtrat und kontrollierte diesen.

Das amtliche Berichts-Konzeptbuch fasst die Briefentwürfe sowohl des Stadtrats als auch des Oberamtes an die übergeordnete Behörde, die Kreisvogtei Heilbronn, zusammen. In die heutige Institutionenlandschaft übertragen wäre das der Bericht des Landratsamtes/des Landrats an das Regierungspräsidium.
Im vorliegenden Auszug, datiert vom 20. Februar 1806, erstattet das Oberamt Weil der Landvogtei Heilbronn Bericht über den aktuellen Stand und die Entwicklung des „Ackerbaus, des Weinbaus, des Anbaus von Futterkräutern und der Viehzucht.“
Besonders aufschlussreich ist der folgende Bericht über den Zustand des „Handwerks, der Manufakturen und Fabriken und der Handlungen“, der hier zitiert wird.
In einem Ausblick stellt der Berichterstatter Überlegungen an, wie man die Lage der vielen arbeitslosen und verarmten Handwerksleute und ihrer Familien durch die Vergabe von Spinn-Arbeiten verbessern könnte.

(unverzeichneter Bestand Bände Weil der Stadt)


Transkription[1]:

[…]
„e) Handwerker
Beinahe die gantze Burgerschaft bestehet aus Handwerkern, das heißt aus Leuthen, welche ein Handwerk erlernt haben, und nach benannter Untersuchung haben sich in vorigem Jahr allhier befunden;
Meister           305
Gesellen        64
Jungen          21
Der größte Theil dieser Meister treibt das Handwerk treibt das Handwerk nicht, sondern gibt sich allein mit dem Feldbau ab, andere sind so arm, daß sie das Handwerk entweder gar nicht oder nicht auf eigene Rechnung treiben können, und nur die geringe Zahl treibt das Handwerk in eigenen Umständen.
Insonderheit sind unter obigen Meistern begriffen
etliche und fünfzig Schuhmacher
etliche und dreißig Zeugmacher
etliche und zwanzig Tuchmacher.
Unter diesen sind etwa 30, welche das Handwerk auf ihre Rechnung treiben und die übrigen sind diesen Knechte, arbeiten stukweise um einen geringen Lohn und gehören im eigentlichen Sinn unter die ärmste Volksklasse.
Die arme Zeugmacher befaßen sich größtentheils mit Garnmachen, weil es ihnen an beßerer Arbeit fehlt und ernähren sich damit kümmerlich.
Diejenige Meistern, welche auf

[1] Buchstabengetreue Umschrift, Groß- und Kleinschreibung sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantverdoppelungen ausgeschrieben. Gestrichene Textteile werden nicht berücksichtigt, Einfügungen sind im Text integriert.

eigene Rechnung arbeiten oder durch ihre ärmere Collegen arbeiten laßen, setzen die gefertigte Waare vorzüglich auf Märkten ab.
f.) Manufacturen und Fabriken
Es befindet sich hier eine wollen Kappenfabrik unter der Firma Frisch und Müller.
Diese Compagnie läßt ihre Fabricate durch hiesige und nachbarschaftliche Zeugmacher-Meister fertigen. Wodurch, wie oben unterthänig gemeldet worden, ein Theil der hiesigen armen Zeugmacher-Meister ernährt wird.
Diese Compagnie sezt ihre Fabrikate vorzüglich auf der Frankfurter und  Zurzacher Messe ab, verkauft aber auch im Detail.
g.) Handlung
Unter der Firma Gall, Reich et Comp. existirt hier eine privilegirte Zeug- und Flanell-Handlung.
Diese bezieht ihre Waare von hiesigen und nachbarlichen Zeugmachern und sezt solche wiederum vorzüglich auf der Zurzacher Messe und auch an einzelne Kaufleuthe nahe und fern ab.
An dieser Handlung durften förderhin nur Zeugmacher-Meister theilnehmen und ist dieselbe in 22 Theil eingetheilt, woran übrigens ein Mitglied mehrere Theile haben kann.
Ein Theilhaber mus 700 fl in die Gemeinschaft geben, daß demnach der Summ oder das Gemeinschaftliche in die-

ser Handlung liegende Vermögen in 15.400 fl bestehet.
Diese Zeug- und Flanellhandlung machte in vorigen Zeiten sehr gute Geschäfte und ihr Einflus auf das Wohl hiesiger Stadt war nicht unbedeutend.

Damalen wurden sämtliche hiesige Zeugmacher und außerdem noch manche Hand mit Wollen Spinnen durch sie beschäftiget und die Leuthe um des starken Absatzes und annehmlichen Preißes der Waare willen gut bezalt werden, auch kam mancher Fremde durch dieses Commerce in die Stadt und verzehrte (?) Geld. Jetzo und seid dem lezten Friden mit Frankreich ist es anderes geworden. Aller Verschlus[1] über den Reyhn (?) hat eine Ende. Dabei ist die Wolle im Preis gestigen und die verarbeitete Waare im Preis gefallen, daß nichts mehr an derselben verdient wird. Statt der vormaligen guten Ausbeute müssen die Compagnie-Verwandte froh seyn, wann sie 5 Prozent aus ihrem Capital erhalten.
Die nicht unbedeutende Öhlen- und Spezereihandlung des g[enann]ten Burgermeister Gallen geht ins Große und

 

[1]Absatz einer Ware


ins Kleine und hat derselbe einen guten Verschlus an die nachbarlichen Krämer, welche ihre Butiquen aus diesen Quellen ellentiren (?).
Ebenso führt der Gerichtsverwandte Fritz von hier eine Ehlen- und Spezereihandlung und macht gute Geschäfte.
Diese beede aber, so wie auch einige Krämer versichern, daß ihnen der immer mehr überhandnehmende Geldmangel immer fühlbarer werde, und sich, neben schlechter Bezahlung, auch der Waaren Absatz dadurch vermindere.“
[…]

„Die traurige Lage armer Handwerksleuthe, welche sich in zimlicher Anzahl mit zahlreicher Familie hier befinden, arm leben und ohne Unterstützung aus öffentlichen Cassen gar nicht weisten (?) könnten, und deren mögliche Verbesserung allerdings alle Aufmerksamkeit wohnt, und es dürfte wohl der vorzüglichste Bedacht darauf genommen werden, wie der Armuth nicht nur durch eine oft schädliche Freigebigkeit in Reichung der Allmosen, sondern der zugleich dadurch abgeholfen werde, daß der Arbeitsame Arbeit finden könne, welche ihm und seiner Familie den nöthigen Unterhalt gewährt.
Der gute, entweder von Haus aus Arme oder durch Unglük und Mißgeschik arm Gewordene möchte offt von Herzen gerne arbeiten, sein Brod auf eine honette[1] Art verdienen und damit sein Schiksal verbessern, wann er Arbeit oder wenigstens eine seinen Leibeskräften, seinen Talenten angemessene Arbeit finden könnte und das all-

[1] ehrenwerte

gemeine Sprichwort: ‚Wer nur Arbeit will, findet sie‘ leidet grose Ausnahme.
Solchen Leuten Arbeit und damit Brod verschaffen, dürfte wohl das einzige Mittel seyn, der hiesigen grosen Anzahl Hausarmer aufzuhelfen und ihre Lage zu verbessern.
Weil man aber unmöglich einem jeden auf seinem erlernten Handwerk Arbeit geben kann, so mus zu Beschäftigung solcher Leute eine Handtierung gewählt werden, welche nicht nur jeder Arbeitsfähige wohl treiben, sondern auch derjenige, welcher sie noch nicht versteht, leicht und in kurzer Zeit erlernen kann, eine Handtierung, bei welcher für den allmosenlästigen , aber arbeitsscheuen, an den Bettel und Müssiggang gewöhnten Armen die so häufige Ausrede


wegfällt, diese Arbeit ist für meine Kräfte zu schwer, ich bin der nicht geschikt.
Unter diese Gattung Arbeit dürfte wohl vorzüglich das Baumwollen Spinnen gezählt werden. Das kann auch der Schwächliste thuen und die Kunst Baumwollen zu spinnen, ist in wenigen Tagen erlernt.
Durch folgende Errichtung einer Baumwollenspennerey

dürfte der Zwek wohlthuender Unterstützung der Hausarmen und Erleichterung der drükenden Lage vieler hiesigen verarmten Handwerksleuten erreicht werden. Der Armenfond erkauft auf seine Rechnung eine hinlängliche Quantität unverabeiteder Baumwolle, gibt solche an arme Einwohner der Stadt Weil pfundweis und in kleinen Quantitäten ab und läßt sie durch solche um einen der Arbeit angemessenen und solchen Preis spinnen, daß der Arbeiter dabey bestehen und leben kann.
Hiemit wäre auch das annoch zur Arbeit tüchtige Personale des Hospitals zu beschäftigen, welches gegenwärtig zu seinem eigenen großen Nachtheil vorzüglich in moralischer Hinsicht

zum Theil ganz müsig ist und zum Theil von dem Hospital Kost, Logie, Kleidung und alle Bedürfniße reichen läßt und dabey taglöhnt oder sonsten für sich und zu seinem Privat-Vortheil arbeitet, was gegen den Zwek des Instituts streitet.“
[…]