Acten die Vermehrung des hieisgen Soldaten Contingents betreffend, in Gelegenheit des Lütticher Aufstands und der deswegen vom Kaiserl. Kammergericht angeordneten Execution de anno 1790

Archival des Monats

Inspiriert durch die Ereignisse der Französischen Revolution fand im Jahre 1790 im damals zum Deutschen Reich gehörenden Fürstbistum Lüttich (heute Belgien) ein Aufstand statt. Dieser wurde von Reichstruppen im 1791 niedergeschlagen - welche Auswirkungen dies auf Weil der Stadt hatte lesen Sie in der Archivale des Monats Februar 2021

Quellenzusammenhang

 
(Bestand WA – Alte Akten Weil der Stadt 1)


 
Erstmals treten ab dem 13. Jahrhundert neben den Urkunden andere Formen schriftlicher Dokumentation auf, in denen Vorgänge von zeitlich begrenzter, nicht direkt rechtserheblicher Bedeutung ihren Niederschlag finden. War die Zeit der ausschließlichen Urkundenüberlieferung dadurch gekennzeichnet, dass nur Tatsachen und Vorgänge rechtlicher Natur mit den Mitteln der Schrift dauerhaft fixiert wurden, bildet sich nun, vor allem und zuerst in den Städten, auf der Basis der Ratsverfassung eine Verwaltung heraus, die sich immer weiter differenziert. Um in den zunehmenden Alltagsgeschäften auf frühere Vorgänge und Entscheidungen zurückgreifen zu können, benötigt die Verwaltung schriftliche Aufzeichnungen, die langfristig als Gedächtnisstütze aufbewahrt werden müssen. Vorbereitende oder ausführende Maßnahmen zu Rechtshandlungen, die früher nur mündlich erledigt wurden, werden nun schriftlich festgehalten. Die Entwicklung von Entscheidungen wird damit nachvollziehbar gemacht.
 
„Quod non es in actis, non est in mundo – Was nicht in den Akten steht, existiert nicht.“ Dieser  Satz steht stellvertretend für den Abschluss des Prozesses der Ausbildung des Aktenwesens im Lauf des 18. Jahrhunderts.
 
Man kann davon ausgehen, dass es in Weil der Stadt schon vor dem magischen Datum, dem Stadtbrand 1648, Akten gegeben hat. Sie wurden aber alle ein Raub der Flammen.
 
1807 und 1884 wurde jeweils eine systematisch geordnete Gesamtübersicht der Weil der Städter Akten erstellt, in die aber auch Bände und Rechnungen integriert waren. Leider findet sich diese Ordnung der Akten im realen Aktenbestand nicht wieder. Ziel ist es aber, diese Aktenordnung im Bestand „Alte Akten Weil der Stadt“ zu rekonstruieren und damit alle älteren Akten, die mit dem Jahr 1648 beginnen, zu verzeichnen. 
Die Akten des 20. Jahrhunderts sind in vier weiteren Aktenschichten vorhanden. Diese Aktenschichten grenzen sich in ihrer Ordnung nach einem bestimmten verwendeten Aktenplan voneinander ab.
 
Aus der Aktenschicht  Weiler Akten des 18. Jahrhunderts soll heute ein Faszikel vorgestellt werden, welches die Abstellung von Soldaten durch Weil der Stadt für den Schwäbischen Reichskreis betrifft.


 
Das Heilige Römische Reich deutscher Nation (dieser Name taucht erstmals im Jahre 1512 auf),  dessen Ursprung im Ostfrankenreich liegt und dessen erster Kaiser Otto der Große war (Krönung zum Kaiser im Jahre 962), bestand bis zum Jahr 1806.
Das Reich wurde aus unzähligen Territorien geistlicher und weltlicher Herren gebildet und war ein komplexes Gebilde, das einen Kompromiss aus Monarchie und Staatenbund darstellte. Zu den zahlreichen Reichsinstitutionen zählten unter anderem auch die Reichskreise, die ab dem Jahr 1500 eingerichtet wurden.
Die Reichskreise fasste geographisch zusammenliegende Reichsstände zusammen. Insgesamt gab es ab dem Jahr 1500 zunächst  sechs, später dann insgesamt 10 Reichskreise.
Weil der Stadt repräsentierte als freie Reichsstadt einen eigenen Reichsstand innerhalb des Schwäbischen Reichskreises. Dieser war in vier Kreisviertel aufgeteilt, dabei gehörte Weil zum ersten Viertel. Zu den Aufgaben der Reichskreise gehörte unter anderem die Wahrung des Landfriedens, die Einhaltung der Münzordnung und Durchsetzung der Reichsgesetze auch die Stellung von Truppen für das Reichsheer. Zu diesem Zwecke verfügte der Schwäbische Reichskreis über eine Wehrverfassung, die an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden sollte.
Seit dem 17. Jahrhundert unterhielt der Kreis ein stehendendes Heer, dessen Stärke in Abhängigkeit von Krieg und Frieden variierte und gegenüber dem Reich sowie den anderen Reichskreise in Art und Umfang festgelegt war. Innerhalb des Kreises wurden die zu stellenden Truppen und Abgaben auf die Kreisstände in den einzelnen Kreisvierteln umgelegt.
 
In der Einteilung der Kreismiliz vom 11. August 1732 wurde Weil der Stadt die Stellung von 5 Soldaten in Kriegszeiten sowie 2 Soldaten in Friedenszeiten für die 8. Kompanie des Württembergischen Kreisregiments zu Fuß auferlegt. Zusätzlich musste  im Kriegsfall ein Soldat für die 3. Kompanie des Baden-Durlachschen Kreisregiments zu Fuß abgestellt werden[2]. Die uns vorliegende knapp 60 Jahre später datierte Akte erwähnt in einer Auflistung zunächst zwei Weiler Soldaten, in einer tabellarischen Übersicht dann acht Weiler Soldaten.
 
Die hier erwähnten Soldaten wurden  im Zuge des so genannten Lütticher Aufstands im Jahr 1790 angefordert. Die Lütticher Revolution trug sich 1789 im Fürstbistum Lüttich, welches zum Deutschen Reich und innerhalb dieses zum Niederrheinisch-westfälischen Reichskreis gehörte, zu. Der Aufstand richtete sich gegen den dortigen absolutistisch regierenden Fürstbischof von HOENSBROECH und war von den Ereignissen der Französischen Revolution beeinflusst. Nachdem das Reichskammergericht entschieden hatte, die bisherige Ordnung wiederherzustellen, wurde der Aufstand 1791 durch Reichstruppen niedergeschlagen. Zu diesen Truppen hatte auch der Schwäbische Reichskreis und damit Weil der Stadt als Teil der Kreisstände seinen Beitrag zu leisten.
 
Vorzustellende Akte ist nachträglich auf 52 Blatt paginiert und besteht aus zahlreichen mittels Fadenheftung gebundenen Blättern verschiedenen Formats. Vornehmlich ist diverse Korrespondenz mit dem Kreis zu finden, darunter Abschriften  von Anordnungen des württembergischen Herzoges als Kreisgeneralfeldmarschall sowie Schreiben des Hauptmanns von Kolleffel. In diesen Schreiben macht Kolleffel die Vorgehensweise bei der Kontingentsabstellung bekannt, auch bietet er mehrfach an, einen Unteroffizier zu senden bzw. selbst die Weiler Truppen in Augenschein zu nehmen. Allerdings lehnt der Weiler Magistrat diese Ansinnen stets ab. Ob dies ein Hinweis auf eine etwaige mangelnde Tauglichkeit der Weiler Soldaten ist sei dahingestellt.
 
Hauptmann von Kolleffel wird im Württembergischen Adressbuch von 1790 als einer von drei Hauptleuten im Infanterieregiment unter dem Kommando des Prinzen von Sachsen-Coburg genannt.[3]
 
Exemplarisch für diese Akte soll nun ein Schreiben von Hauptmann v. Kolleffel, auf den 5. Februar 1790 gezeigt werden. Weiterhin eine in der Akte enthaltene tabellarische Aufstellung über das Weiler Soldatenkontigent (verfasst vom Weiler Syndicus Franz-Karl Brandt[4]) vom 12. April 1790 sowie eine Auflistung über den Soldaten zur Verfügung zu stellende Ausrüstungsgegenstände.

 

TRANSSKRIPTION[5]


 
Acten die Vermehrung des hieisgen Soldaten Contingents betreffend, in Gelegenheit des Lütticher Aufstands und der deswegen vom Kaiserl. Kammergericht angeordneten Execution de anno 1790
 
Wohlgeborene hochgelehrte, hochedelgeborene, hochedelgestrenge, hochedle, hochgeachtete, hochzuehrend hochgeehrteste Herren!
In der Anlage habe ich die Ehre, Euer
Wohlgeborn, und meinen hochzuehrenden Herren
Einen ergangenen herzoglich craißgeneralfeldmarschall-
Amtlich Ordre mit zwei weitern Beilagen zu
Überrsenden, aus deren inhalt woldieselbe
Gefälligst zu ersehen belieben werden, welcherge-
Stalt die Stände des löblich schwäbischen Craises
Ihre Mannschaft bis den 15. Diß Monats in solcher
Bereitschaft halten sollen, daß solche auf jeden
Fall sogleich ausrücken- und die bataillons
(verlesen in senatu Wile d9ten Febr 1789)
 


Abwechslungsweise commandirt werden können.
Da ferner  dieser höchsten ordre zufolge
Die Mannschaft der Stände gut requiriert und
Zur Dienstverwendung tüchtig gemacht werden
Solle; so dependirt es nun einzig von
Der Disposition Euer wohlgeborn , und meiner
Hochzuehrenden Herrn, ob ich zu diesem
Ende für die Hinsendung eines tüchtigen
Unterofficirs (um solche das Exerciren zu lehren) besorgt seyn solle; als
Worüber ich mir baldigst gefällige Nachricht
Erbitte und mit der vollkommensten hochach
Tung zu verharren die Ehre habe
 
Stuttgart,
den 5. Febr. 1790
unterthänigster Diener
von Kollefffel Hauptmann







Für einen ins Feld auszurüstenden Infanteristen
Außer der completen großen Montierung
 
An kleinen Montirungsstüken
2 Unterhemden, mit Imbegrif dessen,
so er auf dem Leib trägt
1 pr Schuhe
1 pr wollene
1pr leinene         Strümpfe
 
1pr schwarze Gamaschen
 
An armatur-Stüken
1 Tornister von Kalbleder
1 Bajonet Scheide und
1 Batterie Dekel
                    


[2] Storm, Peter-Christoph. 1974. Der Schwäbische Kreis als Feldherr: Untersuchungen zur Wehrverfassung des Schwäbischen Reichskreises in der Zeit von 1648 bis 1732. Bd. 21. Schriften zur Verfassungsgeschichte. Berlin: Duncker & Humblot. – Seite 338
[3] Das württembergische Adressbuch erschien 1736 bis 1806. Es gibt die Zusammensetzung des Verwaltungsapparates in Altwürttemberg wieder und bietet Informationen zu Herrscherfamilie, Hofstaat und Militär. Orts-, Personen- und Sachregister erleichtern die gezielte Recherche. Digital im Volltext auf der Seite der WLB unter http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz410310441-1790 verfügbar.
[4] Der Syndikus. Ein Schurkenstück in zwei Akten. Franz Karl von Brandt und Weil der Stadt 1785 bis 1796. Vortrag am 29.11.2018 von Stadtarchivar Lothar Sigloch
[5] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung  sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben.
[6]Lt. DUDEN  Nationale, das, Angaben zur Person, [wohl auch Lebenslauf]