Weiler Wochenblatt vor 100 Jahren: September 1920
Archival des Monats
Das Wochenblatt Weil der Stadt bildet innerhalb des Zeitschriftenbestandes des Stadtarchivs einen eigenen Bestand. Bereits ab 1837 wurde im Stadtrat Weil der Stadt die Erlaubnis zum Erscheinen eines „Nachrichten-Comptoires“ erteilt. Die Vorläuferzeitungen und Einzelexemplare des Wochenblatts für Weil der Stadt und Umgegend trugen verschiedene Titel (Local-Anzeiger Stadt Weil und Umgegend, Würmbote, Der Würmthal-Bote) und sind ab 1850 im Stadtarchiv vorhanden. Ab dem Jahr 1868 wurde der bis heute gültige Titel „Wochenblatt“ verwendet. Die Wochenblätter sind ab 1868 nahezu lückenlos bis in die Gegenwart überliefert und liegen als gebundene Exemplare im Stadtarchiv vor. Eine Benutzung der Wochenblätter ist für Jedermann vor Ort im Lesesaal des Stadtarchivs Weil der Stadt möglich.
Dabei ist der Quellenwert dieser Unterlagen äußerst hoch. Die Artikel und Anzeigen vermitteln neben Informationen über konkrete Ereignisse der jeweiligen Jahre auch einen guten Eindruck der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte der verschiedenen Epochen. In Bezug auf das Alltagsleben der Weiler Ortsbevölkerung sind dabei insbesondere auch die Anzeigen der (Handwerks-)betriebe aber auch die Inserate der Privatpersonen von großer Bedeutung. Das Wochenblatt erschien zwei Mal wöchentlich, jeweils am Mittwoch und Samstag. Die Mittwochsausgabe umfasste in der Regel zwei Seiten, die Samstagsausgabe vier Seiten.
Erschien das Wochenblatt anfänglich im Format Groß-Oktav (27 x 20 cm) so erschien es ab 1910 im „Zeitungsformat“ (Folio, 45 x 30 cm) und erst ab 1972 im heute gewohnten Format.
Hinsichtlich der Papierqualität der Wochenblattausgabe ist aufgrund der zunehmende industriellen Fertigung von Papier seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch beim Bestand der Weiler Wochenblätter größte Aufmerksamkeit geboten: waren die Papiere früherer Jahrhunderte in Papiermühlen aus alten Textilien hergestellt („geschöpfte“ bzw. „Büttenpapiere“) und von hoher Qualität so wird die Qualität aufgrund des enthaltenen Holzschliffs in der industriellen Fertigung deutlich schlechter. Diese schlechte Qualität hat zur Folge das auf minderwertigen Papieren gedruckte oder geschriebene Archivalien größere Aufmerksamkeit bei der Bestandserhaltung und damit auch bei der Benutzung entgegengebracht werden muss.
Das Wochenblatt wurde im Verlauf seiner 152-jährigen Geschichte von mehreren Verlegern herausgegeben:
1868 bis 1874 Wilhelm HERMANN
1875/76 Dagobert WOLF sen.
1876/77 S. LINDENBERGER
1878 bis 1882 R. STÜTZLE
1883 bis 1906 Dagobert WOLF jun.
Die vorgestellten Ausgaben des Septembers 1920 erschienen im Verlag von Julius RAETH, der die Redaktion 1906 übernahm und bis 1960 führte. Neben dem Wochenblatt druckte Julius Raeth auch Postkarten von Weil der Stadt und bemühte sich um private Druckaufträge. Neben der Druckerei betrieb Raeth eine Buch- und Papierhandlung und verkaufte Musikinstrumente und Zubehör.
Im Jahre 1960 übergab Raeth seine Betrieb an Erwin SCHARPF. Dieser druckte das Wochenblatt im Großformat bis 1972. Am 29. September 1972 erschien die letzte Ausgabe. Unter Regie von Erwin Scharpf wurde das Wochenblatt bis September 1972 herausgegeben (dabei erschien bereits zwischen 1968 und 1970 ein „Konkurrenzprodukt“ aus dem Haus Nussbaum: das „Mitteilungsblatt Weil der Stadt“ – dessen Exemplare sind ebenfalls im Stadtarchiv archiviert)
Seit dem 01 Oktober 1972 erscheint das Wochenblatt im Verlag Nussbaum.
Wochenblätter im September 1920
Die Ausgabe vom 04. September beschäftigt sich im überregionalen politischen Teil mit dem Ende eines Generalstreiks.
Auch sind die Folgen des ersten Weltkriegs noch stark zu spüren, so sind zwei Meldungen mit „Französische Sühneforderungen“ sowie „Französische Schadensschätzung“ überschrieben.
Weitere in der Ausgabe beschriebene Ereignisse sind unter anderem die Ankündigung eines Schauturnens der Weiler Turngemeinde oder das Sportfest der Weiler Fußballer. Der Wetterbericht beklagt das regnerische Herbstwetter, welches für die anstehende Hopfenernte ungünstig war. Einen weiteren Hinweis auf den Hopfen als Sonderkultur der hiesigen Landwirtschaft gibt zudemdie Rubrik „Hopfenberichte“.
In den amtlichen Mitteilungen sind Mitteilungen übergeordneter Behörden zu finden (die Maul- und Klauenseuche war ausgebrochen), der private Anzeigenteil reicht von Inseraten zum Verkauf von Brennholz, Fässern, Zigarren und Zigarillos, Hühnern, Ferkeln und Schweinen. Zu den privaten Anzeigen gehörte in der Ausgabe vom 04. September 1920 auch die Suche nach einem verlorenen „Karst“. Für jüngere Generationen sicherlich zumeist ein völlig unbekannter Begriff. Ältere Generationen hingegen kenne die als Karst bezeichnete zweizinkige Hacke noch aus eigener Erfahrung.
In der Ausgabe vom 08. September 1920 wird auf der Titelseite ausführlich über das „Gesetz zur Entwaffnung der Zivilbevölkerung“ informiert.
Im Anzeigenteil sind Inserate zum Verkauf von Heu, einer Ziehharmonika, Säcken, Kalender usw. zu finden.
Am 11. September titelt das Wochenblatt in der politischen Rundschau: „Deutschland lehnt 100 000 amerikanische Milchkühe ab“.
Auch Mehllieferungen aus Amerika sowie die Versorgung der Kriegsopfer werden in kleinen Artikeln angesprochen. Im Anzeigenteil wiederum wird für die bekannte Knabenanzüge von Bleyle („Matrosenanzüge), Tabakwaren, Rhabarberpflanzen und Regenschirme geworben. Auch Inserate der Ölfabrik Ditzingen oder der Pferdehandlung Kusiel aus Ludwigsburg sind enthalten.
Während am 11. September noch von einer Ablehnung der amerikanischen Milchkühe die Rede war titelt das Wochenblatt in der Ausgabe vom 15. September: „ Die ersten amerikanischen Milchkühe nun doch unterwegs.“
Ein Nachbericht zum Schauturnen findet sich am 18. September ebenso wie ein Artikel über die Erkrankung des französischen Präsidenten Deschanel. Über den neuen französischen Präsidenten Millerand wird 25. September berichtet – allgemein wird die in den Nachkriegsjahren schwierige Beziehung zum Nachbarn Frankreich in vielen Artikeln deutlich.
Das Thema der amerikanischen Mehllieferungen sowie der Milchkühe wird am 22. September erneut aufgegriffen, auch der Hopfenbericht sowie diverse Meldungen rund um das Hopfengeschäft werden aufgrund der im September statt findende Ernte nach wie vor gedruckt.
Die infolge des ersten Weltkriegs herrschende Zwangsbewirtschaftung einschließlich Preisfestsetzungen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen und vor allen Dingen im Bereich der Lebensmittel wird in den Ausgaben vom 25. und 29. September in den amtlichen Mitteilungen deutlich.