Teilung des Jerg REISS

Archival des Monats

Zu den umfangreichsten Beständen des Stadtarchivs Weil der Stadt gehören die Inventuren und Teilungen. Diese geben detailliert Auskunft über die Besitzverhältnisse breitester Bevölkerungsschichten.

Inventuren und Teilungen des Stadteilarchives Merklingen

(StadtArch Weil der Stadt, Bände Merklingen)

 

Quellenzusammenhang

Die Inventuren und Teilungen gehören zu den am weitesten verbreiteten seriellen, das heißt massenhaft und nach einem ähnlichen Muster angelegten Unterlagen in (baden-)württembergischen Kommunalarchiven. So verfügt auch das Stadtarchiv Weil der Stadt über einen sehr umfangreichen Bestand an diesen Inventuren und Teilungen, die für alle fünf Stadteilen anzutreffen sind. Bereits früh war die Führung dieser Unterlagen im Herzogtum Württemberg gesetzlich vorgeschrieben, die ersten Regelungen gehen auf das unter Herzog Christoph 1555 bzw. 1567 erlassene Erste und Zweite Landrecht zurück. Mit dem Dritten Landrecht im Jahre 1610 wurden die Vorschriften über die Führung dieser Unterlagen noch ausgedehnt

Die Inventuren und Teilungen der Ortsteile haben einen Umfang von rund 50 Regalmetern. Sie setzen in Merklingen ab 1654, in Schafhausen ab 1666, in Hausen ab 1778 und in Münklingen ab 1827 ein. Weil der Stadt war als Reichsstadt nicht an die württembergische Gesetzgebung gebunden, aber auch hier wurden Inventuren und Teilungen geführt. Die Überlieferung setzt nach dem Stadtbrand mit dem Jahr 1650 ein. In der reichsstädtischen Zeit hießen die Inventuren und Teilungen zunächst Waisengerichtsprotokolle und wurden noch nicht obligatorisch bei jedem Todesfall oder bei jeder Heirat angefertigt. Von 1803 an war aber auch Weil der württembergischen Gesetzgebung unterworfen, ab dieser Zeit sind die Inventuren und Teilungen für Weil der Stadt lückenlos vorhanden. Alle (Teil.)bestände enden mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahr 1900.

Bei den Inventuren und Teilungen handelt es sich um Vermögensbeschreibungen der Einwohner, die bei Heirat (Inventur) sowie beim Tod (Teilung) angelegt wurden. Alle Inventare sind ähnlich aufgebaut: in der Einleitung werden Anlass und beteiligte Personen genannt. Danach werden Haus- und Grundbesitz aufgeführt, das vorhandene Bargeld beziffert und die Fahrnis, der gesamte persönliche Besitz aufgelistet und ihr Schätzwert angegeben. Abgeschlossen werden die oft mit „IuT“ abgekürzten Unterlagen mit der Aufnahme der eingehenden und ausgehenden Schulden (Aktiva und Passiva) sowie bei den Teilungen mit der genauen Aufschlüsselung, wie der Besitz unter den Erben aufgeteilt wird.

Schon auf den ersten Blick erkennt man am Umfang seines Inventars, wie begütert oder arm jemand gewesen ist. Das Inventar eines reichen Wirts oder Bauern kann mehr als 100 Blatt umfassen, das Inventar eines armen Taglöhners manchmal nur eine Seite. Besonders faszinierend ist die Akribie, mit der auch kleinste Besitzgegenstände aufgelistet werden.

Die IuT zählen zu den ältesten und besterhaltenen Quellen in den Archiven.

Genealogen schätzen die IuT, weil sie familiäre Zusammenhänge beschreiben. Aber auch für die sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtlich orientierte Forschung sind diese Quellen sehr interessant. Wegen ihres Detailreichtums und da sie in den meisten Archiven und dort oft über eine lange Laufzeit vorhanden sind, lassen sich interessante Quervergleiche unterschiedlicher Regionen oder Langzeitstudien über mehrere Jahrhunderte anstellen – allerdings ist dies mit enormen Arbeitsaufwand verbunden. Zu den IuT existieren bereits aus der Entstehungszeit zahlreiche Veröffentlichungen, so zum Beispiel das Werk des Tübingers Nicodemus Frischlin, welches großen Einfluss auf die Führung und Form der IuT hatte.

Für den Monat Juni soll nun aus dem Bestanden an IuT des Merklinger Stadteilarchivs eine Eventualtheilung aus dem Jahr 1764 vorgestellt werde. Für Merklingen sind die Inventuren und Teilungen von 1654 bis 1899 lückenlos in zwei Serien überliefert. Vorliegende Teilung ist in einem gebundenen Band, der den Zeitraum von Februar 1764 bis April 1765 umfasst enthalten. Es wird darin das Vermögen des verstorbenen Jerg REISS, Bürgers und Seiler in Merklingen, beschrieben.

Diese Teilung umfasst 38 Seiten. Im Folgenden sollen die Seiten zwei (vorder/Rückseite), die Seiten vier (Vorder/Rückseite) sowie die Seiten 23 v und 24r vorgestellt werden.

 

TRANSSKRIPTION[2]

Mercklingen

Actum, d. 4 ten  Febr. 1764

In Gegenwart

H. Schultheißen, Melchior Pfäfflen,

und beeder Waisenrichter:

H. Johann Michael Weicken und

H. Johann Michael Pfäfflen.

Inventarium und darauf vor-

genommene Eventual-Abteilung

über

Weyl. Hann? Jerg Reißen, seel.,

gewesenen Bürger und Sailers allhier

hinterlassenes zeitliche Vermögen.

worzu Landrechtliche Erben sind:

1. die

Vidua Margretha, mit Beystand

ihres Kriegsvogt, Hannß Jerg Pfäfflen,

Mößners Sohn, Ratsverwandten hie-

selbsten.

Sodann die mit ihro erzeugte Kinder,

bekanntlich:

2.die Tochter Catharina, Bernhard

Olppen Eheweib, welche mit ihrem

Mann nacher Pensylvanien gezogen;

deßwegen H. Schulmeister, Jacob

Räzlen von hier in ihrem Namen

bey diesem Geschäft gewesen ist.

3. der abwesende und in Anseh-

ung seines Aufenthalts unbe-

kannte Sohn, Christoph Bernhard

Die Erben haben getreuer Ver-

mögens Anzeige wegen Hand-

treu an Eydesstatt abgelegt

und darauf angegeben.

Ligenschafft

Eigene Gebäu.

Eine Behausung

Scheuren und Hof-

raithen in der Mit-

telgaßen, zwischen

Jerg Breunings

Wittib und Jung

Jacob Weick, Schmid

------------------------------------------ 430 f.n.n.

Eine Behausung

und Stallung,zwi-

Latus 430 fl.n.n.

Ligenschafft

Eigene Gebäu.

=schen Hannß Jerg

Wochelen und dem

Innhaber, geben bee-

de Gebäu der Herren

albischen Pfleg Merck-

lingen jährlich Herd-

heller […] 1 Gannß

und 2 Sommerhuhn

----------------------------------------- 120 f.n.n

Wießen1 vrtl. 1 ¼ Ruthen

in Mühlwiesen, zwi-

schen Hannß Adam

Rothacker und Hannß

Jung Olpp, Ochsen-

wirth, gibt der

Herrenalbischen

Merkling-

Latus 120 fl.n.n.

Gemeinr Haußrath

1 alten Garnhaspel                         4 cr

1 alte Scheren                                 2 cr

2 Trinkgläser                                    4 cr

2 […] Eisengevlicht

a 6                                                      12cr

1 altes Hämmerlen                         2 cr

1 altes Schrodteisen                      2 cr

1 Heuliecher                                    4 cr

1 altes Zeicheneisen                      2cr

Fahr- und Bauren-

gschirr

1 mittelmäßigen Wagen samt aller

Zugehörd. Deßgleichen

1 Pflug samt Eggen

und

1 Kasten

wurden zusammen

angeschlagen, um                          30 fl n.n.

Latus                                                 30 fl 32 cr

Vieh

1 paar Ochsen                     107 fl. n.n.

1 alte braune Kuh               15 fl. n.n.

2 3jährige Kalbel

1 a 26 fl. et 20 fl.

                                                46 fl. n.n.

1 Schwein                            14 fl. n.n.

1 paar Gännß                      1 fl. n.n.

6 alte Hüner a

12 cr                                       1 fl 12 cr

Früchten

2 Schl. n. Rocken            

a 6 fl. n.n.                             12 fl. n.n.

30 Schl. n. Dinkel a

4 fl. n.                                    120 fl. n.n.

12 Schl. n. Habern a

2 fl.n.                                     24 fl. n.n.

Latus 340 fl 12 cr

                    

 

[1] Im Internet: http://www.weil-der-stadt.de/de/Keplerstadt/Stadtarchiv/Archivale-des-Monats

[2] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung  sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben.