Anlässlich des Personalwechsels wurde aus der Mitte des Stiftungsrats
(Aufsichtsbehörde für das Spital) eine Spitalkommission zusammengestellt, die eine Inventarisierung des Bestands an Mobiliar und Kleidung vornehmen sollte. Die vier Mitglieder des Spitalkommission stellten fest, dass es erhebliche Fehlbestände gab. Besonders ärgerlich für die Kommission war zudem der überstürzte Aufbruch der barmherzigen Schwestern, die das Spital und die Stadt Montag morgens um 6 Uhr verließen. Eine geordnete Übergabe der Schlüssel und des Inventars war damit nicht mehr möglich.
Im Zuge der Inventarisierung erließ die Spitalkommission im Februar und März 1859 eine neue Hausordnung.
Am 16. März 1859 traf sich die Spitalkommission erneut, um in Absprache mit dem Spitalarzt Dr. Beyerle einen Kostplan für die kranken Spitalbewohner aufzustellen.
Die Spitalprotokolle sind in 3 Bänden im Zeitraum zwischen 1676 und 1859 erhalten. In den Spitalprotokollen sind die Rechnungsüberprüfungen und Spitalvisitationen überliefert, die jährlich stattgefunden haben. In der Befragung der Spitalangestellten und Spitaliten erfahren wir etwas über die Anzahl der Spitalbewohner, über das Zusammenleben im Spital oder auch über die Aufgaben, welche die dort Arbeitenden und Wohnenden zu erfüllen hatten.
Transkription des Textes[1]:
„[...] Sodann hat dem § 36 der Spital-Ordnung gemäs die Commißion unter Zuziehung des Spitalpflegers und der Hausmutter folgende Haus-Ordnung für den Spital festgesetzt. Welche sie ebenfalls zur Kenntniß des Stiftungsraths zu bringen beschlossen hat.
A. Allgemeine Bestimmungen.
I. Die Hospitaliten sollen anständig, genügsam, verträglich untereinander, folgsam, reinlich an Leib und Kleidung und fleißig sein.
II. Sie haben je nach Alter, Geschlecht und Tauglichkeit alle im Spital vorkommenden Geschäfte sowie auch Garten- und Feldarbeiten zu verrichten.
III. Zu Arbeiten außerhalb des Spitals bei Privaten dürfen sie nur mit Erlaubniß des Pflegers und der Hausmutter sich verwenden lassen.
IV. Träge und unfolgsame Hospitaliten werden durch Strafen zu Erfüllung ihrer Pflichten angehalten, bei wiederholtem Ungehorsam aber mit der Entfernung aus dem Spital gerügt.
V. Die Hospitaliten haben unter der Leitung der Hausmutter die
[1] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben.
Haus-Andacht täglich zu halten und die Gottesdienste in der Spitals- und Pfarrkirche fleißig zu besuchen.
VI. Wünsche und Beschwerden der Hospitaliten sind bei der Hausmutter und dem Spitalpfleger vorzubringen, Beschwerden gegen diese aber bei der Spital-Commißion.
B. Besondere Bestimmungen
VII. Als Zeit zum Aufstehen vom Bette ist für die Hospitaliten festgesetzt:
Vom 1. November bis 1. März morgens ½ 8 Uhr
März, April, September und October morgens 7 Uhr
Mai, Juni, Juli und August morgens 6 Uhr
Zum Schlafengehen: September, October, November, Dezember, Januar, Februar und März: abends 8 Uhr
sodann vom 1. April bis letzten August abends 9 Uhr, wie bisher.
Um diese Zeiten sind auch die Lichter zu löschen.
VIII. Essenszeiten:
Frühstück ½ Stunde nach dem Aufstehen
Mittagsessen um 11 Uhr
Vesper um 3 Uhr und
Nachtessen um 6 Uhr.
Wer sich ohne triftigen Grund beim Essen nicht einstellt, erhält das Verspätete nicht mehr und wer sein Brod verkauft, wird mit einer achttägigen
Entziehung des Brodes bestraft.
IX. Sogleich nach dem Aufstehen haben die Hospitaliten die Nachttöpfe aus den Zimmern zu entfernen und zu reinigen, die Bette zu machen, sich zu waschen und zu kämmen, sofort vollständig sich anzukleiden.
X. Die Zimmer, Hausgänge und Abtritte sind stets reinlich zu halten, sowie die allgemeine Ruhe und Ordnung im Spitale nie gestört werden darf; Verfehlungen hingegen werden unnachsichtlich geahndet.
XI. Das Zusammenkommen der männlichen Hospitaliten in den Schlafzimmern der weiblichen und umgekehrt ist ungeziemend und deßhalb streng verboten, ebenso das Laufen in die Küche ohne besondere Erlaubnis.
XII. Besuche aus der Stadt sind ohne Vorwissen der Hausmutter nicht gestattet; überhaupt können solche nur in den Nachmittags-Stunden stattfinden.
XIII. Die Hospitaliten sollen reinlich gekleidet aus dem Spitale gehen, außerhalb so wenig als im Spitale Excesse verüben und namentlich nicht betrunken nach Hause kommen.
XIV. Besonders streng untersagt ist den Hospitaliten der Bettel.
XV. Wer sich eines Diebstahls im Spital schuldig macht, wird zur gerichtlichen
Strafe gezogen.
Weil der Stadt im März 1859, Pfleger Zucker und Hausmutter Theresia Schuh
Die Spital-Commißion. Beyerle, Beyerle, Stotz, Bähser, Nachbauer.“
„Heute hat sich die Commission nach vorheriger Berathung mit dem Herrn Spitalarzt Dr. Beyerle über folgende Kost für kränkliche Hospitaliten geeinigt:
Zum Frühstück: Statt Suppe, wenn diese nicht von Einzelnen vorgezogen werden sollte: Kaffee mit Milch und Weißbrod.
Zwischen dem Frühstück und Mittagessen zwischen 9 und 10 Uhr: Fleischbrühe mit oder ohne Eigelb, weich gesottene Eier, gekochtes Obst, nach besonderen Umständen: Kaffee
Zum Mittagessen eignen sich:
1. als Suppen: Wekensuppen mit oder ohne Kartoffel, Griessuppe, Körbensuppe, Riebelessuppe, Nudelsuppe, leichte Späzlensuppe, Sagosuppe, gekochte und gebrannte Suppe, Gerstensuppe, Reissuppe, Habermehlsuppe.
2. als Gemüse: weisses und süses Kraut, gelbe und weisse Rüben, Riefenmöhren, Kartoffelschnitz, Schnittkohl, Spinat und Mangold, Schwarzwurzeln, BrokelerbsenZukerschäfen.
3. als Fleisch: gutes Rindfleisch, gebratenes und eingemachtes Kalbfleisch
4. Als Mehlspeisen: geschmälzte und gebratene Späzlen, ditto Nudeln. Nächste fette Pfannkuchen, Flädlein oder Eierhaber: gebratene Kartoffeln.
An den Tagen, an denen kein Fleisch gegeben wird, soll neben der Suppe Gries- oder Reis- oder weisser Brei, frisches oder gedörrtes gekochtes Obst mit einer der oben angeührten Mehlspeisenverabreicht werden.
Zum Vesperessen: Kaffe mit Milch und Brod.
Zum Nachtessen eine der oben angegeben Suppen.
Am 16ten März 1859, Stotz, Beyerle, Beyerle, Bähser, Leutter“
„Die von der Commißion bei dem Stiftungsrath beantragten im Spitale nöthigen Reparaturen und Anschaffung von Stoffen zu Kleidungsstücken und Schuhen, sowie zu Bettüberzügen sind in der Sitzung am 17ten März 1859 vom Stiftungsrath zum Beschluß erhoben worden. Desgleichen ist die Anschaffung von Leinwand zu den oben Blatt 11b und 12 beantragten Manns- und Weibshemden stiftungsräthlich genehmigt worden.
Zur Beurkundung den 20. März 1859
Spitals-Comission Beyerle, Stotz, Beyerle.“