Dienstanweisung für die beiden Polizeidiener, 1892

Archival des Monats

Im August 1892 erließ die Stadtverwaltung eine überarbeitete Dienstanweisung für die beiden Polizeidiener. Anlass für die Änderung war ein Gemeinderatsbeschluss vom 29. Juli, der die Polizeidiener vom Nachtwächterdienst nach Mitternacht befreite. Aber auch so hatten die Polizeidiener noch genug zu tun, ihre Arbeitswoche hatte 74 Stunden.

Die ins Stadtarchiv übernommenen schriftlichen Unterlagen der Verwaltung werden nach ihrer äußeren Form und nach ihrem Entstehungszusammenhang (bzw. nach ihrer Ämterherkunft) unterschieden in die Hauptbereiche Urkunden, Bände, Rechnungen und Akten. Die Akten wiederum werden in der zur Zeit ihrer Entstehung gültigen Aktenordnung übernommen und in dieser Ordnung im Archiv verzeichnet. So gibt es allein für die Akten Weil der Stadts vier Aktenschichten, die sich zeitlich zwar geringfügig überschneiden, grob aber in 4 Epochen einteilen lassen.

Die Polizeidiener hatten in ihrem äußeren Auftreten auf Takt und Anstand zu achten, gefragt war ein besonnenes und zurückhaltendes Auftreten. Ihr Dienst teilte sich auf in den inneren und den äußeren Dienst, in welchem sie sich abwechselten. Zum inneren Dienst gehörte das Abholen der Post und der Hausmeisterdienst, der äußere Dienst umfasste die Aufgaben des Amtsboten, der Briefe austrug und Gelder einzog und die Bekanntmachungen aus dem Rathaus ausschellte.
Hauptaufgabe der Polizeidiener war aber, für die Einhaltung der städtischen Ordnung zu sorgen. Nächtliche Ruhestörungen oder die Übertretung der Polizeistunde hatten sie umgehend aufs Rathaus zu melden, wo die Störenfriede mit einer Geldstrafe belegt wurden. Quartalsweise wechselten sich die Polizeidiener in der Bewachung der Gefangenen in der Arrestzelle ab. Eine weitere Aufgabe war, auf die Einhaltung der Marktordnung zu achten. Die Polizeidiener wiesen den Marktbeschickern ihre Standplätze zu und kassierten die Standgelder, die sie als Nebeneinkünfte behalten durften.


Transkription[1]:
 
„Weilderstadt.
 
Dienstanweisung für die beiden Polizeidiener.
Durch Beschluß der bürgerlichen Collegien vom 29. Juli 1892 ist den Polizeidienern
der Nachtwächterdienst nach Mitternacht abgenommen worden unter Beibelassung der bisherigen Belohnung für diesen Dienst. Hiedurch sind folgende rot vermerkte Änderungen entstanden[2]:
Die Polizeidiener haben die Verhaltungs- und Dienstvorschriften der ihnen eingehändigten gedruckten Dienstinstruktion genau kennen zu lernen und sich in allen Teilen hienach zu achten. Sie haben die sämtlichen anfallenden Geschäfte, welche bisher vom Rats- oder Amtsdiener besorgt wurden, zu besorgen und überdieß den gesammten Schutz und Wachdienst, welcher den Polizeidienern obliegt, bei Tag und bei Nacht zu versehen, mit Ausnahme des Nachtwächterdienstes in der Nachmitternacht.
Beide Diener sind in Pflichten und Einkommen einander vollkommen gleichgestellt und gilt in allen Teilen der Grundsatz vollkommener Gleichberechtigung und gleicher Verpflichtung.
Der tägliche Dienst beginnt – außerordentliche Fälle, in welchen besondere Weisung erteilt wird, ausgenommen – im Sommer morgens 7 Uhr, im Winter morgens 8 Uhr, zu welcher Zeit beide Diener sich pünktlich auf dem Rathause zu Entgegennahme von Befehlen einzufinden haben.
Der Dienst zerfällt in den Tag- und Nachtdienst. Der Tagdienst zerfällt wieder in den inneren (Rathausdienst) und äußeren (Patrouillen, Vorladung, Ausschellen)
Die Verpflichtungen sind
beim innern Dienst: 
Derjenige Diener, welcher in der vorangegangenen Nacht den Vormitternachtdienst hatte, hat vormittags innern oder Rathausdienst, derjenige, welcher keinen Nachtdienst mit der Controluhr hatte, hat nachmittags Rathausdienst. Die Dienstzeit dauert vormittags von 7 Uhr respektive 8 – 12 Uhr und nachmittags 2 – 7 Uhr.
Beim Rathausdienst darf sich der Diener vom Rathaus nur entfernen, wenn er verschickt wird, zu jeder andern Zeit hat er sich ruhig im Partheienzimmer aufzuhalten. Insbesondere hat dieß an den Amtstagen zu geschehen, an welchen er für Ruhe und Stille im Parteienzimmer Sorge zu tragen hat. Zum Rathausdienst am Vormittag gehört das Einheizen im Winter morgens vor 7 Uhr sowie die Unterhaltung eines mäßigen Feuers, zu welchem Zweck sich der betreffende Diener durch Erfragen der Wärmegrade im Amtszimmer Gewißheit darüber zu verschaffen hat, ob die Heizung eine richtige und nicht mit Holzverschwendung verbunden ist.

[1] Buchstabengetreue Transkription, die Groß- und Kleinschreibung sowie die Zeichensetzung sind dem heutigen Gebrauch angepasst, allgemein verständliche Abkürzungen ausgeschrieben, sonstige Abkürzungen und Textergänzungen in eckigen Klammern
[2] Für die Überarbeitung der Dienstanweisung wurden die Neuerungen mit roter Tinte in den bestehenden Text eingetragen. Sie werden in die Transkription miteingebunden, ohne dass sie extra kenntlich gemacht wurden.
Die mit Bleistift geschriebenen Änderungen wurden nicht berücksichtigt, sie gehören zu einer späteren Fassung der Polizeidienstanweisung.


Zum Rathausdienst am Nachmittag gehört das Einheizen mittags 1 Uhr und das entsprechende Nachlegen, das Herunterschaffen des Brennholzes für den folgenden Tag, das Reinigen, Füllen und Anzünden der Lampen in Zimmer und Hausgang.
Unreinlichkeiten vor, unter und im Rathause sind von demjenigen Diener, welcher Rathausdienst hat, sofort zu beseitigen.
Bei Schneefall sind die Zugänge zum Rathaus von den Hauptwegen aus frei zu machen.
Alle diejenigen Verrichtungen, welche ein geordneter Hausbesitzer an seinem eigenen Hause vollzieht oder besorgen läßt, hat derjenige Diener, welcher Rathausdienst hat, am Rathause zu besorgen. So z.B. das Schließen offenstehender Fenster in den Amtslokalen oder im Turnsaal vor dem Verlassen des Rathauses, das Anlegen losgewordener Läden, das Nachsehen bei stärkerem Regen, ob das Dach nicht defect und kein Ziegel zu stoßen ist.


b. beim äußern Dienst
 
Derjenige Diener, welcher in der vorangegangenen Nacht keinen Nachtdienst mit der Controluhr hatte, hat vormittags äußern Dienst, derjenige, welcher in der Vormitternacht Nachtdienst mit der Controluhr hatte, hat nachmittags von 2 – 8 Uhr abends äußern Dienst. Während dieser Dienstzeit ist dem Diener eine Erholungszeit von 4 – ½ 5 Uhr gestattet, er darf diese Zeit aber nicht im Wirtshaus verbringen. Der Wirtshausbesuch ist nur in der dienstfreien Zeit gestattet.
Beim äußern Dienst sind zu besorgen Vorladungen, Geldeingänge, Bekanntmachungen, hauptsächlich aber – und dieß hat je vor- und nachmittags jedenfalls einmal zu geschehen – sind sämtliche Straßen und Gassen der Stadt zu begehen und alle entdeckten Polizeiwidrigkeiten zur Anzeige zu bringen.
An Sonn- und Festtagen insbesondere ist der äußere Dienst namentlich auch während des Gottesdienstes pünktlich zu verrichten. Es ist hiebei den Officianten gestattet, sich gegenseitig während der Zeit des Gottesdienstes zu vertreten, es dürfen aber nie beide in ein- und demselben Gottesdienst besuchen, da stets einer während dieser Zeit namentlich in der Nähe der Kirchen sich aufhalten muß, um Störungen zu verhindern respektive zur Anzeige zu bringen. Leichenzüge sind  von demjenigen Polizeidiener, welcher zur Zeit, in welcher sie stattfinden, äußern Dienst hat, vom Trauerhaus an bis zum Friedhof zu begleiten. Auf dem Friedhofe hat sich der betreffende Officiant so lange zu verweilen, bis der Zug sich wieder entfernt hat. Hiebei sind Störungen und Ordnungswidrigkeiten zu verhindern respektive zur Anzeige zu bringen.
An Samstag Nachmittagen ist der äußere Dienst genau so wie an Werktagsnachmittagen zu verrichten und zwar von mittags 2 bis abends 8 Uhr. Derjenige Diener, welcher in der vorhergegangenen Nacht Vormitternachtdienst hatte, ist am darauffolgenden Sonn- oder Festtag Nachmittag dienstfrei, wenn nicht besondere Gründe seine dienstliche [Anwesenheit] erforderlich machen und er hiezu specielle Weisung erhält. Er hat aber ohne weiteren Auftrag sofort Dienst zu thuen, wenn er wahrnimmt, daß polizeiliches Einschreiten erforderlich ist. Derjenige Diener, welcher Samstag nachmittags Dienst hatte, hat von 8 – 9 Uhr frei. Um 9 Uhr hat er den Dienst mit der Controluhr anzutreten und zu versehen bis 1 Uhr. Derjenige, welcher Sonntag nachmittags dienstfrei war, hat abends 8 Uhr den Dienst anzutreten, die Straßen abzupatroullieren, um 11 Uhr abzubieten und so lange Dienst zu thun, bis Wirthshäuser und Straßen leer sind. Das Abbieten geschieht in der Weise, daß jeder Polizeidiener die Hälfte der Wirtschaften zu diesem Zweck betritt und die Polizeistunde ankündigt, auch die Nachvisitationen in denselben Wirtschaften um ½ 12 Uhr besorgt. Derjenige Polizeidiener, welcher seinen Dienst um 8 Uhr anzutreten hat, ist von ½ 10 Uhr bis 10 Uhr dienstfrei, er darf diese Zeit aber nicht im Wirtshause verbringen.[...]“


"Am 5. August 1892
 
durch Beschluß der bürgerlichen Collegien vom 29. Juli 1892 ist den Polizeidienern der Nachwächterdienst in der Nachmitternacht abgenommen worden.
Die hiefür festgesetzte Belohnung wurde aber hauptsächlich in Rücksicht darauf nicht vermindert, daß der Gesamtbetrag dieser Belohnung den Polizeidienern nicht ausbezalt sondern für dieselben angesammelt wird, um ihnen im Falle ihrer Dienstuntauglichkeit einen Nothpfennig zu ersparen.
Durch diese Übertragung des Nachmitternachtsdienstes an besonders bestellte Nachtwächter sind die in der vorstehenden Dienstanweisung mit rother Tinte vermerkten Änderungen im Dienst eingetreten. Diese wurden heute den beiden Polizeidienern zur gewissenhafter Einhaltung eingeschärft.
Weiter wurde denselben noch Folgendes zur genauen Befolgung eröffnet:
An Sonn- und Festtagen, an Markttagen, bei Hochzeiten, an der Fastnacht, bei Einquartierung und sonstigen Anlässen, bei welchen der Verkehr auf den Straßen zur Nachtzeit belebter als an gewöhnlichen Werktagen ist, hat auch derjenige Polizeidiener, welcher den Dienst mit der Controluhr nicht hat, von abends 8 – 1 Uhr Dienst zu thun. Der Dienst ist in der Weise zu verrichten, daß die Straßen in der Stadt und um die Stadt, namentlich auch die Bahnhofstraße, begangen und ganz speciell diejenigen Plätze aufgesucht und durch längeres Verbleiben besonders überwacht werden, auf welchen Ruhestörungen oder sonstige Excesse zu befürchten sind. Um 11 Uhr haben beide Diener jeder in der Hälfte der Wirtschaften in der Stadt die Polizeistunde anzusagen und sofort nach 11 ½ Uhr diejenigen Gäste, welche die Polizeistunde übertreten haben, aufzuschreiben. [...]“