Der Nachlass Anton GALL im Stadtarchiv

Archival des Monats

Das Weiler Stadtarchiv verwahrt Nachlässe der für die Stadtgeschichte prägenden Personen, darunter auch Anton GALL. Dieser Nachlass wurde im Sommer 2022 durch einige Zugänge um wertvollen Materialien erweitert.

Nachlässe im Bestand des Stadtarchivs Weil der Stadt

-      Nachlass Anton GALL

 

Neben der amtlichen Überlieferung finden sich im Stadtarchiv auch Unterlagen verschiedenster nicht-amtlicher Herkunft, die für die hiesige Ortsgeschichte von Bedeutung sind. Dazu zählt auch unser Bestand an Nachlässen.

Bei einem Nachlass handelt es sich im archivfachlichen Sinne um „Dokumente, einer physischen Person, die aus deren privater, gesellschaftlicher, künstlerisch-literarischer oder dienstlicher Tätigkeit hervorgegangen sind und die das Archiv neben der amtlichen Überlieferung als Depositum, Schenkung oder Kauf erwirbt“[1].

Der Weiler Bestand umfasst derzeit die Nachlässe von Anton GALL, Esther und Franz HAMMER, Siegfried SCHÜTZ, Erna QUENZER, Antonie ALBINGER und Rose SCHNAUFER sowie den Vorlass des früheren Weiler Beigeordneten Manfred BÜRKLEN. Zudem existiert ein Bestand „Kleine Nachlässe“, die darin enthaltenen Dokumente sind nur von geringem Umfang und entstammen ebenfalls den Hinterlassenschaften von Privatpersonen. Bei allen Nachlässen handelt es sich um Teil- oder Splitternachlässe, d.h. es wird nicht der komplette Nachlass der betreffenden Person im Stadtarchiv aufbewahrt, obgleich es sich zum Beispiel bei den Nachlässen SCHÜTZ und GALL um umfangreiche Materialsammlungen handelt.

Die Nachlässe werden nach Übernahme ebenso wie die übrigen Archivbestände aus den überlieferten Aufbewahrungs- und Verpackungsverhältnissen entfernt, neu verpackt sowie über das Datenbanksystem AUGIAS erschlossen. Aufgrund der großen Menge an Materialien sind derzeit lediglich die Nachlässe HAMMER, SCHÜTZ und BÜRKLEN vollständig erschlossen, der Nachlass GALL ist in weiten Teilen erschlossen und zugänglich. Die Nutzung der jeweiligen Bestände ist für jedem interessierten Bürger gemäß der über das Landesarchivgesetz sowie der Benutzungsordnung des Stadtarchivs Weil der Stadt festgelegten bestimmungen möglich. In Abhängigkeit von schutzwürdigen Belangen Betroffener sowie Verfügungen der Nachlassgeber können weitere Einschränkungen bestehen.

Der hier vorgestellte Nachlass betrifft Anton GALL (1870-1958), Buchbinder und Ökonomieverwalter (heute: Bauhofleiter) aus Weil der Stadt. Er war Mitglied des Geschichts- und Altertumsvereins Weil der Stadt, der 1949 als Heimatverein Weil der Stadt weitergeführt wurde. Anton Gall sammelte Dokumente (Druckschriften, Fotos, Zeichnungen und Bilder) zur Geschichte Weil der Stadts und zur Geschichte der Familie Gall in Weil der Stadt. Als Bauhofleiter hatte er Einblicke in baugeschichtliche Dokumente und protokollierte städtebauliche Veränderungen und zeitgeschichtliche Begebenheiten in einer Chronik. Der Nachlass von Anton Gall befand sich in Verwahrung seiner Enkeltochter.  Im Dezember 2009 hatte das Stadtarchiv erstmals Kontakt mit ihr sowie deren Tochter, zunächst verblieben die Materialien jedoch in Privatbesitz. Anlässlich des Wegzugs der Enkeltochter zu ihrer Tochter nach Sonthofen und dem Verkauf des Hauses wurde der Nachlass dann aber dem Stadtarchiv Weil der Stadt angeboten und daraufhin übernommen.

Im August 2022 wurden nun weitere Materialien aus dem Nachlass GALL durch die Urenkelin des Anton Gall an das Stadtarchiv Weil der Stadt übergeben. Diese im Sommer übergebenen Materialien sollen im Folgenden nun kurz in Wort und Bild vorgestellt werden – die vollständige Auswertung und Erfassung dieser wertvollen Ergänzungen wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Das Stadtarchiv Weil der Stadt dankt den Nachfahren des Anton GALL für die umsichtige Aufbewahrung und Übergabe der stadtgeschichtlich bedeutsamen Unterlagen.

Die Materialien des Nachlasses umfassen verschiedenste Arten und Formen: von Zeitungsausschnitten, handschriftlichen Stammbäumen, Radierungen, Karten, Plänen, Fotografien bis hin zu einigen dinglichen/dreidimensionalen Gegenständen. Da Anton Gall gelernter Buchbinder war hat er zahlreiche seiner Aufschriebe als Bände gebunden.

Im Folgenden soll nun aus dem jüngst ins Stadtarchiv gelangten und durch Gall als „Kriegschronik“ betitelten Band eine Eintragung, die auf den Samstag den 01. August 1914 datiert ist, vorgestellt werden.

Dieser vermittelt einen authentischen Blick auf die Stimmungslage in Weil der Stadt bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

 

Transkription

Samstag, 01. August 1914. Auf heute Abend  verordnet man die

allgemeine Mobilmachung. Ein wunderschöner

Sommertag, die ganze Woche war es schon schön, was

eine Ausnahme dieses Jahr ist, kurz nach Abends

6 Uhr wurde ich auf das Rathaus gerufen, mit meiner

Pappschüssel, dachte mir gleich, daß es um die Mobil-

machung handle, was sich auch bestätigte. Ich bekam

4 weiße Plakate, auf welche mit Blaustift angeschrieben

war, daß der 2te August der erste Mobilmachungstag

sei, der 3te August der 2te Mobilmachungstag usw.

zu diese Plakate hatte ich wieder ebenso anzukleben

wie die ersten, gleichzeitig machten es die beiden

Polizeidiener wieder mit der Schelle bekannt, all-

gemeines erstaunen, da man glaubte, ich zwar

nicht, es sei wieder […], denn die Leute

fingen schon an, die Extrablätter zu

beschpöttlen, jetzt allgemeines Kopfhängen.

Seit der Wasserkatastrophe  ist Stadtschultheiß Beyerle

krank, Verweser ist Aktuar Schütz Alter ca. 32 Jahre,

u. der kath. Stadtpfarrer starb im Nov. 1913.

u. jetzt im August 1914 haben wir noch keinen,

also ziemlich verwaist, denn

Überlegung ist angebracht. Auf die Bahn kam

sofort eine Wache von ca 16 Mann, welche

die Brücken, Bahnhof usw. zu bewachen

hatten, dieselben ziehen auf je zu 3. Sie

bekamen Militärgewehre u. je 10 scharfe Patronen

dazu, also ernst. Ungefähr 40 Mann gingen zu

den Hl. Sakramenten am Sonntag Morgen, […]

Sonntag 2. August. Heute mussten die ersten

3 Mann von hier einrücken, Ernst Schirott Bäcker

verheiratet (Frau u. 2 Kinder) Anton Diebold, ledig.

Briefträger, u. Zimmermann Besenfelder, erstere 2

zu der Marine. Die ersten beiden von hier

gebürigt, ich war auch am Bahnhof, ein trauriger

Abschied, Ernst Schirott war mittags bei mir, ich versprach

ihm, auf den Bahnhof zu kommen. Sein Vater u. Frau

u. Kinder nahmen shcon unten im Tal wo der Weg

[von der Vorstadt zum Bahnhof führt, Abschied.]

 

[1] Reimann, Norbert, Hrsg. 2004. Praktische Archivkunde: ein Leitfaden für Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste, Fachrichtung Archiv. Münster: Ardey-Verlag.